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Autorin: Susann Sitzler
Freitag, 07. Juli 2017

Wenn man es so macht, wie man es fast immer macht, ist es so lästig wie eine Website, die zu langsam lädt. Dauert bloss noch länger: das Warten am Flughafen, bis man in den Flieger steigen kann. Verschlimmert noch durch die Stressphase davor, die spätestens mit der Ankunft am Flughafen einsetzt. Wo ist der richtige Schalter? Das flaue Gefühl, wenn der Koffer auf dem Band verschwindet. Dann das Jacken- und Gürtelballett der Sicherheitskontrolle. Wird es piepsen? Tastet eine kaugummikauende Sicherheitskraft nach den BH-Bügeln oder zwischen die Beine, während Handy, Computer und Schlüsselbund zwischen lauter hastigen Fremden offen daliegen? Dann saugen einen die endlosen Gänge ein, bis man endlich am Gate eintrifft. Wenn man es macht, wie man es fast immer macht, kommt jetzt der öde Teil.

Im gesicherten Bereich sehen die meisten Flughäfen ähnlich aus. Überall dasselbe diffuse Licht, die immer gleichen Verkaufs- und Kosmetikstände, vor dem Fenster das lautlose Gewusel auf dem Vorfeld. Die künstliche Luft gibt keinen Hinweis darauf, ob draussen die schwüle Hitze Kolumbiens oder die nüchterne Nässe Stockholms herrscht. Allenfalls an den Horizonten kann man erahnen, wo man sich gerade befindet. Wenn man es so macht, wie man es fast immer macht, guckt man jetzt aufs Handy oder blättert in der Zeitung.

Und genau hier kommt die Schönheit ins Spiel. Jedenfalls dann, wenn man für ein Mal alles ganz anders macht. Wenn man das merkwürdige Nirgendwo tatsächlich wahrnimmt, in dem man gerade ist. Nicht mehr ganz am Anfang der Reise. Aber auch noch nicht richtig unterwegs. Parkiert in einer streng reglementierten Zwischenwelt, wo es kaum mehr Entscheidungsmöglichkeiten gibt.

Einen so extrem definierten und gleichzeitig an Sinneseindrücken so armen Raum erleben wir sonst fast nur in der Virtualität. Für dreissig, vierzig Minuten sind die Koordinaten unseres Daseins darin verschwommen. Denn während wir hier warten, sind wir nichts als PAX, wie es in der Flugsprache heisst: sicherheitsüberprüfte, ansonsten unspezifische Passagiere, die lediglich auf vorgeschriebenen Wegen störungsfrei von A nach B bugsiert werden müssen. Mehr Individuum müssen wir in diesem Moment nicht sein. Niemand erwartet wirklich die scheinbar so wichtigen, letzten Telefonate, unsere noch hastig abgesetzten Nachrichten. Sie sind nur Selbstberuhigung. In Wirklichkeit sind wir vom Betreten der Sicherheitszone bis zur Ankunft am Flugziel von der Anwesenheitspflicht im Alltag befreit.

Diese abstrakte Sphäre, in der wir gleichzeitig unbehaust und geborgen, preisgegeben und gelenkt sind, lässt sich nirgendwo anders erreichen als in Flughäfen, nachdem man die Sicherheitskontrolle absolviert hat. Man kann süchtig werden danach und extra eine Stunde früher zum Flughafen fahren, um sie gründlich auszukosten. In Nirgendwo zu sein und nichts tun zu müssen ist purer Luxus. Er tut der gestressten Seele ähnlich gut wie die Sekunden, die man an einer roten Fussgängerampel einfach stehen bleibt, auch wenn weit und breit kein Auto kommt. Doch das wäre nochmal ein ganz anderes Thema.