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Autorin: Susann Sitzler
Freitag, 07. Juli 2017

Noch einmal würde ich es wohl nicht tun. Doch dieses eine Mal war gut. Nachts um drei habe ich im Fernsehen einen Jupe bestellt, im Tele­shopping. Er ist etwas über knielang und unten mit einer Girlande in Golddruck verziert. Ein Stück für die Dame mittleren Alters, die noch einiges vom Leben erwartet. Das war die Zielgruppe des Modeschöpfers, der seine Kreation höchstpersönlich und mit grösstem Nachdruck anpries.

Dass mir der Jupe gefiel, lag nicht daran, dass ich, gerade vom Ausgang nach Hause gekommen, äus­serst euphorisch und stark betrunken war. Sondern daran, dass ich einen kitschigen Geschmack habe, den ich nüchtern gut verstecken kann. Ein bisschen auch daran, dass ich dem Modeschöpfer eine Freude machen wollte. «Nur noch weeeenige Exemplare vorhanden!» informier­te er gerade, als ich die eingeblendete Nummer wählte. Natürlich wusste ich, dass die Sendung aufgezeichnet war und das Telefon eher bei einer geknechteten Seele klingelte, die im nächtlichen Callcenter die Stellung hielt, als beim Modeschöpfer, der wahrscheinlich längst in Seidenlaken schlummerte. Doch am nächsten Morgen würde er es ja erfahren, und dann freute er sich vielleicht.

Der Rock, der dann zwei Tage später mit der Post kam, passte und war von guter Qualität. Er hätte super ausge­sehen. Jedenfalls, wenn ich eine Dame mittleren Alters gewesen wäre, die noch einiges vom Leben erwartet. Doch das war ich damals noch nicht, und so kam der Jupe nur ein einziges Mal zum Einsatz, bei einer Familienfeier. Das liegt Jahre zurück.Heute habe ich die mittleren Jahre erreicht und erwarte noch einiges vom Leben. Doch Teleshopping habe ich schon lange nicht mehr geschaut. Das letzte Mal, als ich dort hängenblieb, erschien mir alles blass und bieder. Wohl auch deshalb, weil ständig die Farbbezeichnungen Taupe und Beere fielen, die man sonst nie irgendwo hört. Der Modeschöpfer verkauft schon lange nicht mehr im Fernsehen und der Jupe ist völlig aus der Mode. Doch er hängt immer noch in meinem Schrank, und dort wird er auch bleiben. Als Erinnerung daran, wie gut es sich anfühlt, nicht immer alles sein zu lassen, bloss weil es einem am nächsten Tag peinlich sein könnte. Vor allem aber auch, um nicht zu vergessen, wie schön es ist, mit­ten in der Nacht euphorisch nach Hause zu kommen und einfach allem mit Liebe und Wohlwollen zu begegnen. Noch immer passieren mir in diesem Zustand manchmal Spontankäufe, wenn auch fast nur noch im Internet. Und bisher nie mehr bei einem Jupe mit goldener Borte.