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Haben Sie es gelesen?» – «Nein. Was geht mich das an?» Die Menschen wollen es nicht wahrhaben, machen so lange weiter mit dem Gewohnten, bis sie es irgendwann trotzdem wahrhaben müssen, selbst wenn es dann zu spät ist. Jeden Tag ein Grad wärmer soll es werden; schuld ist nicht der Klimawandel, sondern ein «Unfall im Gravitationssystem», der die Erde «zurück» in die Sonne stürzen lässt. Ob es Wochen, Monate oder Jahre dauern wird – welchen Unterschied macht das schon?
Natürlich glauben die Leute den Zeitungen kein Wort, was soll man mit dieser Nachricht schon anfangen: «Alles Leben wird enden.» Die Nachbarin, die die Zeitung dann doch noch gelesen hat, glaubt noch: «Die lügen hemmungslos …» Andere setzen sich schon mit dem Tod auseinander, der jetzt immerhin «alle zusammen» ereilen wird, um dann mit Schrecken zu bemerken, dass man am Ende doch immer allein ist.
Der in Lausanne geborene, ab 1904 in Paris lebende Charles Ferdinand Ramuz schrieb «Présence de la mort» («Gegenwart des Todes») unter dem Eindruck des Hitzesommers 1921, als in Genf eine Rekordtemperatur von 38,3 Grad gemessen wurde. Dass der Text zur Zeit seiner Entstehung sein Publikum eher irritierte und sich folglich schlecht verkaufte, wird nicht nur an der eigenwilligen Sprache und der zerstückelten, tableauartigen Struktur gelegen haben. Sondern vor allem daran, dass der Roman seiner Zeit in so ziemlich allen Belangen voraus war.
Übersetzer Steven Wyss betont im Nachwort dann auch seine «erschreckende Aktualität» und dass man kaum umhin komme, ihn als «prophetischen Klimaroman» zu lesen. Jedenfalls weiss man heute nicht, ob man mehr über seine Sprache oder über seine Hellsichtigkeit staunen soll.
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