Sie will tauchen. Unbedingt. Doch bei einem Kurs im Hallenbad endet sie schluchzend am Beckenrand, weil sie unter Wasser eine Panikattacke erleidet. Zehn Jahre ist das her. Bis im vergangenen Frühling hat sie die Angst vor der Wassertiefe nicht überwunden.
Dabei ist sie am See aufgewachsen. Sie war oft schwimmen; und sofern es die Temperaturen zulassen, schwimmt sie noch heute täglich. Bloss tauchen blieb unmöglich. «Ich habe mich immer gefürchtet, weil ich den Boden nicht sehen konnte. Bis ich festgestellt habe: Es sind die unsichtbaren Böden in mir, meine Abgründe, die mir Angst machen.» Es ist eine Analyse, ehrlich, offen, selbstkritisch.
Den Schmerz aushalten
Anja Niederhauser hatte eine freie Kindheit auf dem Land. «An Geburtstagspartys bin ich auf Kühen geritten», erzählt sie bei einem Treffen in Zürich, wo sie heute lebt und arbeitet. Die Eltern sind Künstler, Anja wuchs in Fruthwilen am unteren Bodensee praktisch als Einzelkind auf. Der Altersabstand zu ihren Halbgeschwistern ist gross.
Lange vor Anjas Geburt kam ein Bruder 17jährig bei einem Unfall ums Leben. Trauer war ein präsentes Thema in der Familie. «Mein Vater erzählte gern, dass mein Bruder mit seinem Freund sonntags zum Frühstück einen ganzen Zopf gegessen hat und wie er sich auf sein Auto freute, das nach seinem Führerschein schon parat gestanden hätte.» Auch die Umstände, wie der junge Mann ums Leben gekommen war, waren Gesprächsthema, und immer wieder wurden Fotos angeschaut.
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