Das erste Objekt, das sie präsentiert, ist ein unerwartetes. Jeanine Osborne zeigt himmelwärts. Hinter dem Eingang zur Wetziker Schönaufabrik, in der sie ihr Atelier hat, wächst ein Kamin in die Höhe. Ein Horst krönt ihn, darin stakst ein Storchenpaar. Seit fast zwanzig Jahren bedeckt das Nest, gebaut aus ineinander verhakten Ästen und Zweigen, den Schlot. Kein Gewitter, kein Sturm, kein Schneefall hat ihm etwas anhaben können. «Es ist ein Kunstwerk», sagt die Künstlerin.
In den letzten Monaten hat sie viel gearbeitet. Sechs Stapel Bilder im A3-Format bedecken den grossen Tisch in ihrem Atelier. Reihen von neuen Werken liegen am Boden zum Trocknen ausgelegt. Zu jedem hat sie ein Gedicht verfasst. Ihr schwebt eine Ausstellung vor. Eine Weiterentwicklung der Performance «Singing Wall», die sie vor gut zwei Jahren mit dem Paul-Klee-Ensemble im Zürcher Kunstraum Walcheturm aufgeführt hat. Das Publikum erlebte eine Schau mit Osbornes Bildern, die sie auf die Wände projizieren liess, und ihren Gedichten, gesungen von der Sopranistin Franziska Hirzel.
Diesmal will sie an der einen Wand alle Bilder platzieren, an der anderen alle Gedichte. Sollen das Gemalte und das Geschriebene je eine Nummer bekommen, die beides vereint? Oder soll sie die Paarung von Bild und Gedicht den künftigen Besucherinnen und Besuchern überlassen? Es wird sich weisen.
Jeanine Osborne sitzt in einem Butterflysessel, hockt geborgen im schwarzen Tuch. Durch die hohen Fabrikfenster scheint die Sonne in den langen Atelierraum. Der Boden ist mit Karton ausgelegt, an der Wand gegenüber der Fensterfront hängt eine riesige Leinwand. «Leave me empty», hat sie mit schwarzer Acrylfarbe darauf geschrieben.
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