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Autorin: Sabina Galbiati
Bilder: Seraina Boner
Donnerstag, 05. September 2024

Nein, ganz sicher nicht» – das ist Heidis erster Gedanke, als Robert ihr sagt, Regisseur Christian Labhart wolle einen Film über ihn und seinen Umgang mit seinem bevorstehenden Tod drehen. Auch wenn Labhart ein guter Freund der Familie ist: Mit Homestorys, wie sie Boulevardblätter oder das Fernsehen zeigen, hat sie schaurig Mühe.

Aber dann diskutieren sie und Röbi lange. «Da merkte ich, dass mein Geliebter zum Thema Sterben viel zu sagen hat und der Film gesellschaftlich etwas bewirken könnte», erzählt Heidi heute. Auch auf die Anfrage für ein Porträt reagiert die 79-Jährige erst kritisch. Nach einiger Bedenkzeit und zwei längeren Telefongesprächen stimmt sie schliesslich zu. Aber nur unter der Bedingung, dass der Artikel eine relevante Botschaft zum Thema Sterben hat.

Heidi sucht bestimmt kein Rampenlicht. Aber wegen der Art und Weise, wie sie mit dem Sterben und dem Tod umgeht, ist sie für viele Menschen zu einem Vorbild geworden. Offen und unaufgeregt spricht sie über den Tod – auch über ihren eigenen.

Im Oktober 2021 erhält Röbi die Diagnose Lungenkrebs. Unheilbar. Er und Heidi entscheiden sich gemeinsam für eine palliative Begleitung und gegen lebensverlängernde Therapien. Der 77-Jährige will sein Leben bis zum letzten Moment auskosten und auch seinen Tod selbstbestimmt, bewusst und in Würde erleben. Deshalb nimmt er die Dienste der Sterbehilfe-Organisation Exit in Anspruch.

Der Film «Röbi geht» erzählt seine Geschichte – eine, die viel mehr vom Leben handelt als vom Tod. Und Heidis Geschichte? Sie handelt vom Loslassen, vom Lieben und vom Bleiben.

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Heidi Demuth Widmer und Robert Widmer-Demuth lernen sich 1973 im Obdachlosenbunker von Pfarrer Ernst Sieber kennen. Die Einrichtung für Obdachlose ist eine Zivilschutzanlage am Helvetiaplatz in Zürich, die Pfarrer Sieber von der Stadt zur Verfügung gestellt bekommen hat.

Heidi ist Siebers erste Mitarbeiterin und zu der Zeit im Pfarramt in Altstetten tätig. Aushilfsweise arbeitet sie im Obdachlosenbunker. Röbi hat dort gerade seine Stelle angetreten, er betreut die Randständigen. Heidi und Röbi verlieben sich und ziehen schon bald zusammen. Im Ortsteil Robenhausen in Wetzikon finden sie ihr Zuhause. In einem von Efeu umrankten Arbeiterhäuschen.

Als 1977 ihr erster Sohn Silvan zur Welt kommt und ein Jahr später Andrin, kümmert sich Heidi um die Familie. Röbi arbeitet seit kurzem in der Wohn- und Arbeitsgemeinschaft Suneboge, dem Nachfolgeprojekt des Obdachlosenbunkers. Dort setzt er sich bis zu seiner Pensionierung für die Würde der Menschen ein. Vielen von ihnen steht er im Moment ihres Todes bei. «Dadurch hat er dem Sterben gegenüber Gelassenheit, aber auch Respekt entwickelt», wird Heidi später erzählen.

Röbi pflegt eine grosse Leidenschaft fürs Schreiben und Recherchieren. In seiner Freizeit verfasst er Gedichte, führt Tagebuch, sammelt und studiert Fossilien, die er in seinem Arbeitszimmer, dem «Bücherwürmli», wie er es nennt, aufbewahrt.

Das Ehepaar engagiert sich auch politisch. Regelmässig marschiert die Familie an Demonstrationen mit. Heidi im Rollstuhl, längere Strecken kann sie nicht zu Fuss gehen. Sie ist seit Geburt gehbehindert, eine doppelte Hüftluxation, die mit dem damaligen Stand der Medizin kaum operierbar war. Röbi schiebt ihren Rollstuhl, die beiden Buben laufen nebenher.

Heidi singt: «Schlaf mein Kind, ich wieg dich leise, bajuschki, baju.»

Knapp ein Jahr nach Röbis Diagnose geht es plötzlich schnell. Heidi sitzt auf dem Bett im Schlafzimmer und hält ihren Mann in den Armen. Die Familie und die engsten Freunde sind da. Röbi dreht die Infusion auf. Heidi singt: «Schlaf mein Kind, ich wieg dich leise, bajuschki, baju.» Röbi sagt: «Tschau zäme.» Am 18. August 2022, kurz nach dem Mittag stirbt er. Heidi weint. Ein stilles Weinen sei es gewesen, kein verzweifeltes, sagt sie. Sie wohnt nach wie vor im Arbeiterhäuschen. Auch die beiden erwachsenen Söhne leben mit ihren Familien im Quartier.

Seit der Film «Röbi geht» im Mai 2023 uraufgeführt worden ist, nimmt Heidi immer wieder an Veranstaltungen teil, sei es in Zürich, Bern, Uster oder Solothurn. Immer mit dabei ist Kamerafrau und Freundin Heidi Schmid. Sie ist die Frau von Regisseur Christian Labhart.

An diesem regnerischen Samstagvormittag sind die beiden Frauen gemeinsam aus Wetzikon nach Zug gefahren. Im Kino Seehof diskutieren sie auf Einladung des Vereins Palliativ Zug mit dem Publikum über den Film und den Umgang mit dem Tod. Wie lebt man weiter, wenn der Geliebte gegangen ist?

Vom Loslassen

Heidi betritt den Kinosaal. Behutsam nimmt sie mit ihren beiden Gehstöcken jede einzelne Stufe. Einige Sitzreihen vor dem Publikum bleibt sie stehen und wendet sich den Besucherinnen und Besuchern zu. Die kleingewachsene Frau verschwindet beinahe hinter den Sessellehnen des Kinos. Ihre langen, grauen Locken hat sie mit Haarspangen gebändigt. Die Lippen rot, der Pullover rot, der knöchellange Rock rot-bunt gestreift. Eine schwarze Hornbrille umrahmt die Augen. Stilbewusst, so wie sie sich immer zurechtmacht – auch zu Hause.

Heidi erzählt, wie es ihr seit dem Tod ihres Mannes ergangen ist. «Dass ich meinen Geliebten verloren habe, schmerzt wahnsinnig, das bleibt vermutlich so. Aber ich habe Freude am Leben, es ist ein wirklich gutes.» Sie erzählt mit kräftiger Stimme. «Seit ich meinen Röbeli nicht mehr habe, macht es mir nichts mehr aus, zu sterben, ich bin ja auch schon fast 80 Jahre alt, es bleibt mir nicht mehr unendlich Zeit.»

In ihren Worten liegt kein Hadern. Sie hat die Angst vor dem Tod losgelassen – wie ihr «Röbeli». Und so, wie Heidi über das Weiterleben spricht, scheint dieses Loslassen auf sie befreiend zu wirken.

Für den Film habe sie zwei Bedingungen gestellt, erzählt sie weiter. Sie kann das Projekt jederzeit abbrechen, wenn Röbi oder sie sich dabei unwohl fühlen, und sie kommt nur am Rande vor. «Jetzt ist unser Hund Naira öfter zu sehen als ich», sagt sie. Das Publikum lacht.

Heidi und Goldendoodle Naira im «Bücherwürmli», Röbis Arbeitszimmer.

Beim Apéro im Kinofoyer sagt die Organisatorin der Film-Matinee Janine Landtwing von Palliativ Zug, Heidi wirke im Film sehr gefasst, «man merkt, dass sie und Röbi offen über das Sterben und den Tod gesprochen haben». Besonders berührt habe sie, «dass Heidi und Röbi in dieser Zeit des Abschieds, die im Film gezeigt wird, auch glückliche und lustige Momente hatten». Oftmals werde ja gerade das Glücklichsein in einer solchen Zeit zum Tabu.

Kamerafrau Heidi Schmid, die neben Landtwing steht, sagt: «Heidi ist unglaublich offen, man kann sie alles fragen.» Schmid schätzt es sehr, dass Heidi an die Veranstaltungen mitkommt. «Einmal sogar halb krank», sagt sie. Für Röbis Frau war von Anfang an klar: «Wenn ich zum Film Ja sage, sage ich auch Ja zu den Veranstaltungen.»

Heute ist Heidi dankbar für dieses Projekt. Sie bekommt viel Feedback auf den Film, vor allem Briefe. «Ich merke, dass der Film den Menschen Hoffnung gibt, weil sie sehen, wie offen und versöhnt mein Röbeli mit dem Tod umgeht», erzählt sie.

Dann wird es Zeit. Heidi will aufbrechen. Am Nachmittag steigt im Quartier ein Fest, auf das sie sich schon lange freut.

Auf der Autofahrt zurück nach Wetzikon sagt Heidi, die auf dem Rücksitz Platz genommen hat: «In unserer Gesellschaft wird das Sterben viel zu sehr tabuisiert, weil es etwas Unbegreifliches ist. Man weiss nicht, was danach kommt, ob überhaupt etwas kommt. Das macht Angst.» Der Film helfe den Leuten sich zu öffnen, sie würden anfangen über den Tod zu sprechen.

Dann, mitten im Stau, gesteht Heidi, «ich habe den Film erst dreimal gesehen. Ihn immer wieder zu schauen, das würde ich nicht ertragen.» Aber jetzt müsse sie das dann wieder mal tun, sonst vergesse sie die Details. Das wäre bei den Veranstaltungen etwas ungünstig.

Sie sagt das in einem durchaus heiteren Ton, als würde sie über einen ganz anderen Film sprechen. Dabei sei Heidi ein sehr emotionaler Mensch, erzählen ihre Bekannten. Man merkt es an der Art, wie sie vom Erlebten spricht, nie wehmütig, aber jene Dinge, die ihr nahegehen, denen verleiht sie Nachdruck. Ob man sie etwas Persönliches fragen dürfe. «Ja, frag.»

«Wenn du für dich allein bist, gibt es dann Momente, in denen dich die Trauer überkommt?»

«Ja, zwischendurch wirft es mich schampar um und der Schmerz packt mich.» Gegen aussen möge sie diese Trauer aber nicht unbedingt zeigen.

«Darf ich schreiben, dass du auch schlimme Momente hast und nicht immer stark und gefasst bist?»

«Sicher, ich habe zum Porträt Ja gesagt, und das gehört dazu.»

Über ihre Gehbehinderung, ihren Schmerz und ihre Trauer spricht sie, ohne je um Fassung zu ringen, und ohne Wut oder Verbitterung.

Heidi will kein Opfer sein. Wegen ihrer Gehbehinderung wehrt sie sich schon als Kind gegen diese Rolle, als junge Frau tanzt sie ganze Nächte durch und leidet dann drei Tage an Schmerzen. «Aber ich habe getanzt», sagt sie und freut sich. Auch heute noch tanzt sie gerne, wenn auch inzwischen mit zwei Gehstöcken. Über ihre Gehbehinderung, ihren Schmerz und ihre Trauer spricht sie, ohne je um Fassung zu ringen, und ohne Wut oder Verbitterung. Im Gegenteil, immer wieder dringt da diese Lebensfreude durch, selbst wenn sie kurz zuvor über schmerzhafte Momente gesprochen hat.

Heidi findet selbst in Kleinigkeiten Freude. Das zeigt sich auch an jenem Fest im Quartier. Spielende Kinder, ein tanzendes Paar, eine flüchtige Begegnung mit einer Bekannten, das Glück der anderen, darüber freut sie sich. Deshalb trifft es sie umso stärker, wenn sie Menschen gehen lassen muss, wie die befreundete Familie, die vor kurzem weggezogen ist.

Vom Lieben

Einige Tage sind vergangen seit der Filmvorführung in Zug. Heidi ist zu Hause, hat Kaffee gemacht und ein Wasser mit «Blöterli» gebracht. Sie ist guter Dinge, trägt den roten Lippenstift passend zum schwarzen Pullover und dem rot-bunt gestreiften Rock.

Nun sitzt sie auf dem kleinen Sofa in der Stube. Da, wo ihr «Röbeli» im Film all die Gespräche führt mit Freunden, der Familie, mit ihr. Naira, der schwarze Goldendoodle, liegt neben ihr. An den getäfelten Wänden hängen gerahmte Fotos, die das Leben der Familie zeigen.

Wenn Heidi von ihrem «Röbeli» erzählt, gerät sie ins Schwärmen: «Es wird mir immer noch ganz warm ums Herz und im ganzen Körper, wenn ich an ihn denke. Er war in seiner Art einfach ein heisser, aussergewöhnlicher Typ».

Röbi nannte sie gerne «meine Sulamitin» in Anlehnung an die Liebenden im Hohelied. Wer Heidi und Röbi als Paar erlebt hat, erzählt von einer innigen und liebevollen Beziehung. «Eine, wie sie sich wohl die meisten wünschen», sagt Kamerafrau Heidi Schmid. Sie und Regisseur Christian Labhart nahmen auf Heidis Wunsch den Satz «Röbeli ist das Beste, was mir im Leben passiert ist» nachträglich noch in den Film auf.

«Ich dachte immer, im Moment, in dem mein Röbeli stirbt, werde ich vor Verzweiflung zusammenbrechen. Aber das ist nicht passiert.» Das habe sie erstaunt und gleichzeitig sei sie froh gewesen. «Ich denke, weil der Abschiedsprozess fast ein Jahr gedauert hat und wir uns intensiv mit dem Tod auseinandergesetzt haben, war ich gefasster.»

Aber auch, weil sie für ihre beiden Söhne und deren Familien stark sein wollte. Silvan und Andrin standen hinter der Entscheidung ihrer Eltern, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, aber natürlich änderte das nichts an ihrer Trauer.

Heidi und Röbi hätten mit etwa 90 Jahren gemeinsam gehen wollen. «Das war unser Plan», sagt sie. Vor rund zehn Jahren schloss das Paar eine Mitgliedschaft bei der Sterbehilfe-Organisation Exit ab. Für beide war klar, dass sie ihr Leben bis zum letzten Moment bewusst und so intensiv wie möglich leben wollen.

«Im schlimmsten Fall wollten wir selber entscheiden können, wann wir gehen. Wir wollten nicht an Maschinen angeschlossen dahinvegetieren und auf den Tod warten müssen», sagt sie.

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Am Film und an der Entscheidung, mit Exit zu gehen, gibt es auch Kritik. Eine Zuschauerin sagte an der Premiere, dass man Röbi nicht davon abgehalten habe, seinem Leben ein Ende zu setzen, sei schrecklich.

Zum Glück, sagt Heidi, habe der Palliativmediziner Andreas Weber darauf geantwortet, sie hätte es nicht gekonnt. Nicht, weil sie es persönlich nahm, sondern weil es sie grausam ärgert, wenn andere Leute den Menschen ihre Meinung aufzwingen wollen und ideologisch argumentieren. «Es gibt Leute, die finden, Sterbehilfe gehöre verboten. Aber jeder Mensch sollte selber entscheiden können, wie er stirbt», sagt sie.

Vom Bleiben

Die mittlerweile pensionierte Ärztin Claudia Landerer hat Röbi bis zum Schluss medizinisch unterstützt. Als langjährige, enge Freundin und Nachbarin der Familie hat sie miterlebt, wie es seiner Frau in der Zeit des Abschiednehmens und auch nach seinem Tod erging. Im Alltag habe er ihr vieles abgenommen, das sie aufgrund ihrer Gehbehinderung nicht habe machen können.

«Wegen Röbis Krebs und seinem Gesundheitszustand musste sie nun bei vielen Dingen selber anpacken und als sie merkte, es geht, ich kann das, ist sie immer stärker geworden», erinnert sich Landerer. Das sei auch für Röbi wichtig gewesen, zu sehen, dass Heidi gefasster wird, und vor allem, dass sie weiterleben will, dass sie bleiben will.

«Heidi war schon immer eine Kämpferin, das hat ihr unglaublich geholfen in dieser Zeit», erzählt Landerer.

Bis zum letzten Moment versucht das Paar, so normal wie möglich weiterzuleben. Manchmal beinahe, als gäbe es keinen Lungenkrebs. Sie machen Ausflüge, gehen ins Theater oder ins Kino und sogar noch an den Ostermarsch für den Frieden in Bern – knapp fünf Monate, bevor Röbi stirbt.

An jenem Tag sitzen beide im Rollstuhl. Claudia Landerer schiebt Heidis Rollstuhl, ihre Lebenspartnerin jenen von Röbi. Für ihn war das nicht einfach. «Er, der mich immer geschoben hatte, sass nun selber im Rollstuhl.» Er habe es mit Humor genommen, erinnert sich Heidi. «Dass wir es geschafft haben, bis zum letzten Moment wirklich zu leben, das ist ein irrsinniges Geschenk und ich bin enorm dankbar dafür.»

Diese Dankbarkeit ist für Heidi ein Weg, mit der Trauer umzugehen. «Wenn mir bewusst wird, dass ich nie wieder werde Hand in Hand mit ihm einschlafen können, versuche ich diesen Gedanken loszulassen und stattdessen dankbar zu sein», sagt sie. «Dann sage ich mir, 48 Jahre lang habe ich das gehabt und es war wunderbar.»

«Ich gebe keine Ratschläge, ausser, dass die Betroffenen über den Tod und den Verlust sprechen.»

Sie will nicht in der Trauer festsitzen und das Leben verpassen. Aber sie sagt auch: «Ich weiss nicht, wie ich reagiert hätte, wenn mein Röbeli die Diagnose zwanzig Jahre früher bekommen hätte. Vielleicht hätten wir mehr gekämpft und wahrscheinlich hätte ich mit unserem Schicksal viel stärker gehadert.» Letztlich sei der Verlust eines Menschen etwas sehr Persönliches und fordere jeden und jede anders heraus.

«Deshalb gebe ich keine Ratschläge, ausser, dass die Betroffenen über den Tod und den Verlust sprechen.» Im Falle von palliativer Begleitung sei es auch wichtig, das eigene Umfeld frühzeitig zu involvieren und die medizinische Begleitung gut zu organisieren, betont sie.

Heidi steht vom Sofa auf. Sie will Röbis Arbeitszimmer zeigen, das «Bücherwürmli». Naira trottet ihr hinterher.

Im Zimmer ist es kühl. In den Regalen stapeln sich die Bücher, auf dem Schreibtisch liegen Notizen, die Röbi gemacht hat, und überall gibt es fossile Muscheln und Tongefässe. Dass auch im Rest des Hauses noch viele Sachen an Röbi erinnern, das mag Heidi durchaus. Doch sie unterscheidet zwischen Stücken, von denen sie sich nicht trennen mag, und Sachen, die weg könnten – darunter viele, die ihr gehören. Aber das Räumen habe Zeit, sagt sie.

Lieber kümmert sich Heidi um andere. Wenn sie Briefe erhält von Menschen, die den Film gesehen haben, dann ruft sie sie an. Sie bedankt sich, fragt, wie es ihnen geht. Meist entwickeln sich daraus längere Gespräche. «Das klingt, als würde ich ständig über den Tod reden», sagt sie, dabei sei das gar nicht der Fall.

Heidi steht voll im Leben. Montagnachmittags hütet sie die Enkelkinder; als Präsidentin leitet sie eine kleine Wohngenossenschaft im Quartier; als Mitglied des Literatur-Teams vom Verein Kultur im Rex in Pfäffikon ZH organisiert sie Lesungen, zweimal die Woche geht sie ins Krafttraining.

Wenn sie das Gefühl hat, eine Bekannte oder ein Freund brauche ein offenes Ohr, ruft sie an oder geht vorbei. «Ich bin aber auch ganz gerne alleine.» Das liege wohl daran, dass dies fast nie der Fall sei, sagt sie und lacht.

Inzwischen ist der Nachmittag weit fortgeschritten und Heidi muss das Gespräch beenden, denn sie will noch eine Bekannte anrufen und danach, am Abend, einen Krimi schauen. So, wie sie und ihr «Röbeli» das gerne taten