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Vor dem Tod kann sich niemand drücken, höchstens den Gedanken an ihn kann man verdrängen. Vor allem im Corona-Lockdown im Frühling 2020 fiel das schwerer als auch schon. Zudem meldeten immer mehr Passanten, sie hätten auf Wänden und Mauern in Zürich tanzende Skelette oder gar den Sensenmann gesehen. Es waren keine Halluzinationen in dieser jäh angebrochenen Zeit der Pandemie. Vielmehr hatte der «Sprayer von Zürich» nächtens wieder zugeschlagen, gut vierzig Jahre nach seiner ersten grossen Schaffenszeit mit Strichfiguren.
Der Lockdown paralysierte Harald Naegeli nicht wie viele Menschen – er schien den Künstler erst recht zu aktivieren. «Wenn der Tod vor der Türe steht, heisst er uns schweigen, doch der Mensch mit seiner Gestaltungslust nimmt ihn an der Hand und führt ihn in die Utopie der Kunst.» Mit diesen Worten eröffnet Harald Naegeli programmatisch sein Buch «Zürcher Totentanz» und macht damit seine Motivation begreiflich. Tatsächlich zeigte der an Krebs erkrankte 80jährige Sprayer in manchen Nächten zwischen April und August 2020 einen erstaunlichen Tatendrang, wie das mit zahlreichen Fotografien und Instagram-Screenshots dokumentierte Buch belegt. Nicht zufällig sehen viele Bilder wie Tatortfotos aus. Nach Ideenskizzen von Naegeli ist jeweils eine Fotografie zu sehen, die der Künstler nach der Vollendung eines Werks selbst gemacht hat, samt Datum und Zeit.
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