Der ehrliche Klappentext

«Weil es Recht ist» von Marcel Hänggi

In seinem Buch «Weil es Recht ist» macht der Umwelt-Journalist Marcel Hänggi Vorschläge für eine ökologische Bundesverfassung. Dabei stellt er fest, dass anderes wichtiger wäre.
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Donnerstag, 19. Dezember 2024

Was können wir tun, um nicht zu resignieren? Diese Frage stellt sich Marcel Hänggi ganz zu Beginn seines neuen Buches und antwortet gerade selbst: «Vielleicht sollten wir endlich umsetzen, worauf wir uns demokratisch verständigt haben (…) Wir sollten tun, was Recht ist.» In der schweizerischen Bundesverfassung stehe fast schon alles drin, was es brauche, um eine ökologische Politik zu verwirklichen.

Dennoch präsentiert Hänggi in der Folge mehrere Dutzend Vorschläge, wie die Bundesverfassung ökologischer gestaltet werden könnte. Beispielsweise, indem die globale Verantwortung der Schweiz, umweltgerechte Subventionen oder der Schutz vor übermässiger Werbung darin verankert werden. Oder durch den Hinweis, dass Eigentum nicht nur geschützt wird, sondern es auch verpflichtet – «gegenüber Mitmenschen und Umwelt».

Das alles ist akribisch aufbereitet und sorgfältig analysiert. Doch den Elefanten im Raum hat Hänggi selbst hingestellt, und er begleitet die Leserinnen und Leser durchs ganze Buch: Was hilft eine ökologische Totalrevision der Bundesverfassung, wenn effektiver Klimaschutz vor allem daran scheitert, dass geltendes Recht nicht umgesetzt wird? Zumal es in der Schweiz nicht möglich ist, Bundesbeschlüsse einzuklagen, die gegen die Verfassung verstossen, ausser es betrifft Menschenrechte.

Die mangelnde Umsetzung zeigt Hänggi etwa beim Thema Suffizienz. Die Verfassung nenne mehrfach das Wort «ausreichend», schreibt er: beim Grundschulunterricht, bei der medizinischen Grundversorgung sowie in den Artikeln zu Energie und Verkehr. Der Bundesrat selbst schrieb in seiner Botschaft zum Energiegesetz, dass «ausreichend sich nicht auf die Deckung aller Bedürfnisse» beziehe, sondern nur auf jene, die übrigblieben, wenn «die Energieverschwendung abgebaut und Sparmassnahmen wirksam sind».

Als aber im Winter 2022/23 eine Stromlücken-Panik ausbrach, zapfte er sofort Reserven an. Die Politik, kritisiert Hänggi treffend, verstehe «ausreichend» fälschlicherweise als die Pflicht des Staates, jede Nachfrage zu decken.

«Weil es Recht ist – Vorschläge für eine ökologische Bundesverfassung» ist also entgegen seinem Titel kein Aufruf, das Klimaproblem auf formaljuristischer Ebene anzupacken. Dass dem Buch eine Auftragsarbeit von Greenpeace zugrunde liegt, wie man erfährt, erklärt die Herangehensweise. Es verhindert aber nicht, dass das Buch erst gegen Ende mitreissen kann – als der Autor frei über seine eigenen Erfahrungen erzählt. Marcel Hänggi ist der Kopf hinter der Gletscherinitiative, die zum neuen Klimaschutzgesetz führte.

Dabei ist Hänggi überzeugt: Könnte die Bevölkerung nicht bloss Ja oder Nein sagen, sondern aktiv mitgestalten, würden effizientere Klimaschutzmassnahmen umgesetzt. Als Beispiel nennt er den Kanton Glarus, der sowohl das CO2-Gesetz als auch das Klimaschutzgesetz ablehnte. Dazwischen hatte die Glarner Landsgemeinde aber eines der ambitioniertesten Energiegesetze der Schweiz beschlossen – ein 19-jähriger Aktivist hatte es geschafft, die Anwesenden zu überzeugen.

Das Problem sei, dass bei Abstimmungen niemand verpflichtet sei, sich zu informieren, und dass niemand Verantwortung übernehmen müsse für seine Stimme, schreibt Hänggi. Darum seien einfache Botschaften gegenüber komplexen Argumenten im Vorteil.

Auf der Suche nach Lösungen schaut Hänggi über die Landesgrenzen: nach Wales, wo ein Gesetz für das «Wohlergehen künftiger Generationen» sorgen soll; nach Frankreich, wo eine «Convention citoyenne pour le climat» der Regierung Vorschläge unterbreitet; nach Irland und Island, wo regelmässig Bürgerräte einberufen werden.

Dass solche Versuche bislang nur mässig erfolgreich waren, erklärt Hänggi damit, dass Regierung oder Parlament stets das letzte Wort behielten. Hier sieht er die Chance der Schweiz, zum Vorreiter in Sachen «deliberativer Demokratie» zu werden. Beispielsweise mit einem im Losverfahren zusammengestellten Bürgerrat, der Initiativen lancieren kann oder ein Vetorecht gegen Beschlüsse des Parlaments hat.

Marcel Hänggi: «Weil es Recht ist. Vorschläge für eine ökologische Bundesverfassung». Rotpunktverlag, Zürich 2024; 256 Seiten; 29 Franken.

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