Aus der Herzkammer

The Party

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Autor: Ramin Nikzad
Freitag, 11. September 2020

Hinter mir sass damals eine Schweizerin, die sehr lautstark und verbal ihrer Begeisterung Ausdruck verlieh («’s isch so huere luschtig!»). Ich selbst verbalisiere zwar während Theatervorstellungen meine inneren Regungen nicht, aber ich lache und schalle und grunze auch ungehemmt vor mich hin.

Na, jedenfalls wurden diese extrovertierte Schweizerin und ich während dieses wirklich nicht signifikanten, aber dennoch unterhaltsamen und, so gut es bei diesem schwachen Text geht, durchaus gelungenen neunzigminütigen Einakters bei jedem Lacher und jedem Ausruf – die Schweizerin brüllte einmal vor lauter Lachen: «I schiss mi a!» (Ich scheiss mich an!) – mit indignierten Blicken und demonstrativem Kopfschütteln der uns umgebenden Burgtheaterbesucherinnen behelligt. Nach dem Applaus drehte ich mich zur Schweizerin um und sagte so laut zu ihr, dass es weithin hörbar war:

«Das war ein Spass, oder? Ich bin sehr froh, dass Sie meine quasi vertikale Sitznachbarin waren, denn in Wien muss sich ja schämen, wer während einer Komödie lacht und den Anschein macht, einen Theaterabend zu geniessen. Sie müssen wissen: Die Wienerinnen gehen nicht ins Theater, um sich zu unterhalten, sondern um sich zu empören, ja letztlich um zu leiden.»

Die Schweizerin lachte

«Die Wiener sehen sich eine Komödie an, um ihre Köpfe zu schütteln und um zu leiden und um allen, die es wagen, Spass an dieser Komödie zu haben, ihre empörten und gehässigen Visagen ins Gesicht zu strecken.»

Ringsumher blieben all die Gafferinnen und Kopfschüttler stehen und gafften mich kopfschüttelnd an. Die Schweizerin lachte.

«Jedenfalls danke ich Ihnen, dass Sie hinter mir gesessen sind! Das hat mir den Abend sehr versüsst!» Dann machte ich mich auf den Weg zur Garderobe.

  • N° 11/2020

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