

Bild gewordene Bewegung: das Werk von Esther Cuz Costé.
Wer kennt nicht das Daumenkino? Im raschen Flippenlassen eines kleinen Notizblocks mit gezeichneten Einzelbildern geraten diese plötzlich in Bewegung. Je rascher die Blätter aufeinander folgen, desto geschmeidiger wird die Aktion zum Beispiel eines gehenden Menschen. Die Technik stand auch am Anfang der filmtechnischen Entwicklung.
Die Schaffhauserin Esther Cuz Costé schuf in diesem Bild quasi die Umkehr des Daumenkinos: Sie malte in New York den Trommler, dessen ekstatische Bewegung wieder eingefroren wird. Der Trommler multipliziert sich in unendlich viele Standbilder. Die Arme und Beine schwingen in alle Richtungen, der Kopf schlägt nach hinten, die Gliedmassen scheinen sich vom Rumpf abzulösen. Es entsteht eine Rotation um den eigenen Körper. Seit ich vor 40 Jahren dieses 180 × 140 cm grosse Bild von Esther, deren Vernissagen ich damals ab und zu eröffnen durfte, erwarb, begleitete es mich von Wohnsitz zu Wohnsitz. Die Faszination ist immer noch ungebrochen, vielleicht weil diese wirbelnde Trommlerfigur nie zur Ruhe kommt. Sie scheint aus dem Bild herauszutanzen, in die Welt hinein.
Esther Cuz Costé begegnete, so wie ich es in Erinnerung habe, damals in New York diesem Trommler in einem grossen Raum und begann selber in tanzender Ekstase am Boden sitzend, liegend zu malen, mit ihren blossen Fingern, wohl auch mit Pinseln. Die Bewegung, der rhythmische Trommelschlag flogen durch die malenden Finger hindurch auf das Papier. Nicht um zu erstarren, sondern vielmehr um sich weiter zu übertragen.
So begreife ich – indem ich diese Zeilen schreibe – die tiefere Wirkung des Bildes auf mich noch besser. Bin ich die Zeichnende oder der Gezeichnete? Der Trommler sucht nicht zwingend bloss Gehör, sondern ist auch ganz in sich selbst versunken. Die Malerin nimmt das Wahrgenommene auf und formt es in ihr Inneres um. Irgendwie sind auch in mir – einem Zwilling – beide Personen enthalten. Um sich wie ich für die Landschaft, die Natur und die Kultur einzusetzen, bedarf es gleichermassen eines lauten Trommelns wie auch eines inneren Suchens nach Richtigkeit und Richtung. Beides aber eingewoben in eine ästhetische Erfahrung.
Der Philosoph Peter Sloterdijk schrieb einmal, dass man zu Musik (und zu Gebäuden) kein neutrales Verhältnis haben kann. Es geht uns eben alles etwas an, ob wir es bewusst wahrnehmen oder nicht. Flüchtiges gibt es eigentlich nicht, Ansteckung ist garantiert.
Die Neuroästhetik hat längst bestätigt, dass die Wahrnehmung von Kunst uns insofern einen (schönen!) Streich spielt, indem sie eben weitreichender berührt, als wir uns bewusst sind. So tanzen der Trommler und die Malerin gleichermassen in und mit mir weiter durchs Leben.