Mein E-Mail-Account wurde gesperrt mit der Anweisung, mich telefonisch an die GMX-Hotline zu wenden. Ich rufe dort an und es meldet sich Horst mit einer sonoren warmen Stimme und diesem norddeutschen Akzent, der mir immer so weiche Knie macht, und fragt mich: «… Was kann ich für Sie tun?»
Ich rüttle mich aus einem Tagtraum mit dem grossen, breitschultrigen Horst am einsamen Strand von Sylt wach:
«… Ja, hallo, Ramin Nikzad hier, ich wurde gesperrt, also mein Mail-Account wurde gesperrt, mein’ ich, und ich soll mich an Sie wenden.»
Horst: «Verstehe, dann geben Sie mir doch Ihre E-Mail-Adresse, und dann guck’ ich mir die Sache mal an!»
«Richard Anton Martha Ida Nordpol Punkt Nordpol Ida Konrad Zeppellin Anton Dora …»
Horst (lacht): «Und ich dachte immer, mein Name sei kompliziert!»
Ich beginne auf das peinlichste zu kichern: «Ah! Hihiii? Echt??? Ja voll! Mein Name ist ein Horror! Ein Horror! Hihihi …» Während Horst meine Daten abruft, frage ich mich, warum ich sag’, dass mein Name ein Horror ist? So was Dummes … Wie kann man so was Dummes sagen …
Horst: «Herr Nikzad, Sie haben auf einem Ihrer Geräte einen Virus, der von Ihrem Account aus Spammails versendet, daher waren
wir gezwungen, Ihren Account zu sperren!»
«Waaas? Spammails! Oh mein Gott! Wie peinlich! Das ist mir sehr unangenehm, ich hatte keine Ahnung …»
Horst: «… Machen Sie sich mal keine Gedanken deshalb! Das passiert sehr vielen und ist ein weitverbreitetes Problem, um so wichtiger ist es, dass Sie all Ihre Geräte mit einem Virusscan versehen!»
«Wahnsinn … Spammails von meinem Account! Ich hoffe, nichts Politisches oder Medizinisches? Sind es politische oder medizinische Spammails? Oder einfach nur Pornos?»
Horst: «Ich habe keinen Einblick in die genauen Inhalte der Spammails, die von Ihrem Account versendet wurden. Benützen Sie
Virenscans, Herr Nikzad?»
«Nein, ich habe nur Apple-Geräte, einen Mac, ein iPad und ein iPhone!»
Horst: «Und was heisst das?»
Horst klingt plötzlich so streng. Mein Tagtraum in der Sylter Abenddämmerung springt wieder an. Die Wellen brechen peitschend auf den menschenleeren Strand und Horst sieht mich ernst und durchdringend, aber begehrlich an.
«Na bei Apple gibt’s ja keine Viren, hat’s doch immer geheissen!» entfährt es mir plötzlich mit einer schrillen und klagsamen Stimme, wie einer Hausmeisterin beim Treppenrunterwaschen.
Horst: «Das hiess es vor zehn Jahren, Herr Nikzad. Doch mittlerweile gibt es auch für alle Apple-Geräte Viren, und sie sind mitunter die zerstörerischsten …»
«Die zerstörerischsten», wiederhole ich leise und bedrückt.
Horst: «Bitte installieren Sie auf all Ihren Endgeräten einen Virusscan, Herr Nikzad, und wenn Sie alle Geräte gescannt und bereinigt haben, dann rufen Sie mich wieder an, damit ich Ihren Account freischalten kann.»
«Okay, mach’ ich! Ich melde mich dann wieder! Wir hören uns!»
Horst: «Sehr gut! Dann bis bald! Und schönen Tag noch!»
Hoffungsvoll lege ich auf.
Horst will, dass ich ihn wieder anrufe.