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Liebe Leserinnen und Leser des bref Magazins.
Nach ziemlich genau drei Jahren habe ich beschlossen, meine Kolumne zu einem Ende zu bringen. Dafür habe ich mir eine Anekdote ausgesucht, die mir ganz besonders am Herzen liegt. Ich finde, sie erzählt im Grunde alles, worüber ich schreibe.
Ja, die Menschheit ist entsetzlich! Ignorant. Brutal. Rücksichtslos. Und dennoch finden wir in intimen Begegnungen immer wieder Menschen, die uns den Glauben in unsere Spezies wiederherstellen. Das ist so wesentlich, denke ich, und das ist es, was ich in meiner Kolumne veranschaulichen wollte.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen allen viel Kraft und Durchhaltevermögen in diesen widrigen Zeiten.
Ramin Nikzad
84jährige Akupunkturpatientin, das dritte jährliche Follow-up, während der Nadelung.
«… Na bitte, meine Mutter war ja auch eine Künstlerin, sie war Designerin, wie man heute sagen würde, für den Rosenthal, ein sehr angesehener und begehrter Modemacher in Wien damals in den Dreissigern, müssen Sie wissen, Herr Doktor. Natürlich sagt Ihnen heute Rosenthal nichts mehr, er war ein Jude und die Nazis haben ihn und seine ganze Familie ermordet, es ist entsetzlich, und meine Mutter hat das zeitlebens nicht verwunden, glaub’ ich. Ich glaube, meine Mutter hat damals in den Vierzigern mit der Menschheit überhaupt abgeschlossen, völlig mit den Menschen an sich abgeschlossen damals in den Vierzigern, wo sie miterlebt hat, wie die Wiener vor ihren Augen alle Juden beim Rosenthal nach und nach, einen nach dem anderen und schliesslich den Rosenthal selbst und seine ganze Familie abgeführt haben und in diese entsetzlichen Lager gebracht haben, um sie dort alle zu erschiessen und zu verbrennen, was alle gewusst haben, hat mir meine Mutter immer gesagt: ‹Als sie den Grünbaum und die Goldberg und schliesslich den Rosenthal und die Frau Rosenthal und die Rosenthal-Kinder abgeholt haben, hab’ ich gewusst, dass sie sie alle nach Auschwitz bringen, um sie dort alle zu erschiessen und zu verbrennen, wir haben das alle gewusst, das war kein Geheimnis, auch wenn jetzt alle so tun, als hätten sie von nichts gewusst …›, hat meine Mutter mir immer gesagt. Ich glaube, damals hat meine Mutter mit dieser Welt abgeschlossen. Ich glaube, damals hat sie mit dieser Welt und mit dieser Menschheit irgendwie, wie soll ich Ihnen sagen, Herr Doktor, irgendwie hatte sie damals ein und für allemal innerlich abgeschlossen mit den Menschen, denke ich heute …»
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