Der ehrliche Klappentext

«Das weibliche Prinzip» von Meg Wolitzer

Meg Wolitzer erzählt in Das weibliche Prinzip von der Freundschaft zweier Frauen aus unterschiedlichen Generationen. Beide kämpfen auf ihre eigene Art für den Feminismus. Damit ist Wolitzer nicht nur ein witzreicher Kommentar über die aktuelle feministische Bewegung gelungen, sondern auch eine treffende Analyse des Zeitgeistes.
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Autorin: Geneva Moser
Freitag, 27. Juli 2018

Die erfolgreiche Feministin Faith Frank drückt der Collegeschülerin Greer Kadetsky eine Visitenkarte in die Hand: «Schwesternschaft bedeutet, zusammen mit anderen Frauen dafür zu kämpfen, dass jede Frau ihre eigenen Entscheidungen treffen kann.» Diese Worte beeindrucken Greer so sehr, dass sie selbst zur Feministin wird – quasi mit sofortiger Wirkung. Und dies, obwohl sie bis anhin schüchtern, leise und wenig politisch interessiert war. Feministische Forderungen sind ihr unbekannt, so etwas wie «Schwesternschaft» ist ihr fremd. Doch die junge Schülerin fragt die ältere Frau bei einem Vortrag um Rat: «Was sollen wir tun?»

Greer fragt nicht aus generellem Interesse. An einer Party hat ein Burschenschafts-Mitglied sie in eine Ecke gedrängt und ihr in die Brust gekniffen. Greer wehrt sich, ist aber gleichzeitig in Starre. Ermutigt durch ihre linke und offen lesbische Freundin Zee Eisenstat erzählt Greer anderen Schülerinnen von dem Abend und erfährt, dass der junge Mann weitere Frauen belästigt hat. Der Versuch, ihn innerhalb der Collegestrukturen zur Rechenschaft zu ziehen, scheitert. Für Greer wird Faiths’ Vor- trag zu einem Schlüsselmoment, der ihr Leben verändert: «Wenn Sie für das kämpfen, was Ihnen wichtig ist, werden Sie auf Widerstände stossen.»
Die amerikanische Schriftstellerin und Essayistin Meg Wolitzer versteht sich auf Schlüsselmomente. Nach ihren viel beachteten Romanen Die Interessanten, Die Stellung und Die Ehefrau bleibt sie nun auch in Das weibliche Prinzip diesem Konzept treu. Wolitzer spannt von der Begegnung zwischen Greer und Faith die Fäden aus: Durch die Leben der Protagonistinnen, von Greers Freund Cory Pinto und ihrer Schulfreundin Zee Eisenstat, durch die Arbeiterstadt Macopee, hin zur Metropole New York. Sie wechselt zwischen Perspektiven, Denkweisen und Sprachgebräuchen, als wäre sie es gewohnt, in unterschiedlichen Köpfen und Körpern zuhause zu sein.

Die Autorin beschreibt, wie sich Greer Jahre nach dem Vortrag an Faith Franks Visitenkarte erinnert und sich bei ihr um eine Stelle bewirbt. So landet Greer schliesslich im Dunstkreis der grossen Feministin und beginnt für sie zu arbeiten. Der Elan von Faith treibt sie an – auch in ungeahnte Richtungen. Bis es letztlich zum Eklat zwischen den beiden kommt.

Meg Wolitzer setzt mit Greer und Faith zwei starke Frauenfiguren ins Zentrum des Buches. Ihre Protagonistinnen stehen für zwei Generationen von Feminismus. Während die ältere Faith sich für das Recht auf Abtreibung, Schutz vor sexueller Gewalt und gerechte Entlöhnung starkmacht, geht es Greer mehr um globale Vernetzung, mehrfache Betroffenheit von Diskriminierung und Identität. Beiden gemein ist jedoch die Erfahrung, wie schwierig es ist, Beruf und Beziehungen zu vereinen. Zwischen Faith und Greer entwickelt sich ein komplexes Verhältnis zwischen Freundschaft und Mentorinnenschaft. Das Ringen um kapitalistischen Erfolg und Reputation lässt die beiden aber auch in einen Konkurrenzkampf geraten – genau wie Greer und Zee.

Wolitzer, selbst Feministin erster Generation, kommentiert in ihrem Roman überraschend und witzig, bisweilen ironisch-trocken das neue Erstarken feministischer Bewegungen. Die vom Schlüsselmoment her entwickelten Handlungsstränge führt sie feinsäuberlich wieder zusammen. Dabei bleibt keine Frage offen, nichts ist überflüssig. Jede Figur ist zugleich exemplarisch und individuell. Den Zeitgeist erfasst zu haben, das ist eine Plattitüde. Im Fall von Meg Wolitzers Das weibliche Prinzip wäre aber nichts treffender als das.


Meg Wolitzer: Das weibliche Prinzip. Dumont, Köln 2018; 544 Seiten; 36.90 Franken. Geneva Moser ist Journalistin in Bern.

  • N° 13/2018

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