Lieber Herr Wiese, in einem Satz, wer ist schuld am Tode Jesu?
Die Römer.
Und wenn Sie mehr als einen Satz hätten?
Dann immer noch sehr deutlich: die römischen Besatzungsbehörden der damaligen Zeit. Über die Frage einer Beteiligung von Teilen des jüdischen Establishments im Umfeld des Jerusalemer Tempels streiten sich die Gelehrten.
«Wer hat Jesus umgebracht?» oder «Wer ist schuld am Tode Jesu?»: Welchen Unterschied macht es, welche Frage man stellt?
Aus jüdischer Sicht macht es einen grossen Unterschied, ob von einer möglichen Verstrickung jüdischer Behörden in die Vorgänge um den Prozess Jesu oder von «Schuld» oder gar einem «Gottesmord» die Rede ist. Die genaue historische Rekonstruktion bleibt umstritten, auch unter jüdischen Gelehrten. Mit einer wie auch immer gearteten Kollektivschuld hat das nichts zu tun. Der jüdische Religionswissenschaftler David Flusser schrieb sinngemäss: Die Juden sind weniger schuld am Tod Jesu als die Griechen am Tod von Sokrates. Die Konstruktion von Schuld eines Kollektivs am Tod einer Person ist sehr fragwürdig. Täter sind die Initiatoren und Vollstrecker des Prozesses, nämlich die römischen Behörden.
Wie lautet der Vorwurf des Neuen Testaments gegenüber dem jüdischen Volk?
Dass die Initiative zum Prozess vom jüdischen Establishment ausging, den Pharisäern und Sadduzäern. Sie hätten die römischen Behörden dazu gedrängt, das Todesurteil zu vollstrecken. Der römische Statthalter Pontius Pilatus sei dem nur widerstrebend nachgekommen. Die eigentliche Schuld am Tode Jesu geben die Passionserzählungen den Juden.
Die Evangelien waschen Pilatus’ Hände in Unschuld?
Das Matthäusevangelium geht sogar noch weiter. Mit dem Bericht über den angeblichen Rettungsversuch von Pilatus, Jesus gegen den zeitgleich verhafteten Barabbas auszutauschen. Die Juden sollen das mit dem Ausruf «Sein Blut komme über uns!» verhindert haben. Damit ging die Schuld aufs Kollektiv über. Dieser Vorwurf hat das Christentum in einem antijüdischen Sinne vergiftet.
Welche Folgen hatte das?
Die Kernthese des religiösen Antisemitismus ist, dass «die Juden» den Messias nicht angenommen haben und daher der Zorn Gottes auf ihnen lastet. Schon in der Antike wurden sie deshalb diskriminiert. Das zieht sich durchs Mittelalter, wo ihnen vorgeworfen wird, Ritualmorde zu begehen, da sie ständig wiederholen müssten, was sie einst Jesus angetan hätten. Das war für die Christenheit sehr prägend.
Bis heute?
Die Grundmentalität, dass Juden Feinde der christlichen Gesellschaft sind, zieht sich durch. Und sie wirkt auch in säkularisierten Formen weiter. Während der Shoah hat sie dazu beigetragen, den christlichen Widerspruch gegen den Antisemitismus massgeblich zu schwächen. Als ich Ende der neunziger Jahre vor Studierenden, die kaum religiöse Bindungen hatten, erwähnte, Jesus habe mit seinen Jüngern das jüdische Pessach-Fest gefeiert, konnten sie das nicht glauben. Sie fanden das seltsam. Schliesslich hätten die Juden doch Jesus umgebracht, warum sollte der dann ein jüdisches Fest gefeiert haben? Die Vorstellung, Jesus selbst sei Jude gewesen, war ihnen undenkbar. Auch ohne religiöse Erziehung hatte sich in ihnen dieses Bild des Gegensatzes verfestigt. Der religiöse Vorwurf wirkt tief in den säkularen Antisemitismus hinein.
Das hat auch Chaim Cohn erkannt, der mit seinem Werk «Der Prozess und Tod Jesu aus jüdischer Sicht» eine umfassende Antwort auf den christlichen Gottesmordvorwurf geliefert hat. Wie kam er zu diesem Thema?
Das Thema kam zu ihm. Im Jahr 1948 gingen am Obersten Gerichtshof des frisch gegründeten Staates Israel Petitionen protestantischer Theologen ein, die forderten, jetzt, wo es einen jüdischen Staat gab, den Prozess gegen Jesus von Nazareth neu aufzurollen und den Justizirrtum zu bereinigen. Chaim Cohn, der dort als Oberstaatsanwalt arbeitete, bekam den Auftrag, den Verfassern mitzuteilen, dass das Gericht nicht zuständig sei.
Doch statt abzulehnen, tut er etwas ganz anderes …
Genau. Er hätte antworten können: Lasst den Quatsch! Aber der Umstand und die Hintergründe dafür, dass sich unmittelbar nach der Shoah ernstzunehmende Stimmen mit so einem Ansinnen melden, das hat ihn gepackt.
Wer waren die Verfasser?
Das wüsste ich zu gerne. Leider schreibt Cohn dazu nichts. Ich hätte Lust, in seinem Nachlass nach entsprechenden Dokumenten zu suchen – ich glaube, das werde ich versuchen. Es ist sehr schwer, über ihre Motivation zu spekulieren. Wollten sie aus antisemitischen Motiven heraus den neuen Staat herausfordern? Oder waren dies Theologen, die sich der Schuld der christlichen Tradition bewusst waren und die dem jüdischen Staat die Möglichkeit geben wollten, ein für alle Mal einen Schlussstrich unter dieses Thema zu ziehen? Ich kann hier nur spekulieren – aber die Motive waren mehr als zwiespältig.
Bleiben wir kurz bei den Motiven des Vorwurfs. Die Rahmendaten sind eindeutig: Da war ein Jude namens Jesus von Nazareth, und der wurde von Römern nach römischem Recht unter römischer Herrschaft umgebracht. Wie kommt man da gesellschaftlich zu dem Schluss, die Juden seien schuld?
Das hat Chaim Cohn sehr schön rekonstruiert. Die Passionserzählungen sind keine historischen Berichte, sondern Jahrzehnte später entstanden. In der Zwischenzeit hat sich ein schwerer Konflikt zwischen den christlichen Gemeinden und römischen Herrschern aufgetan. Also wollte man sich politisch den Römern andienen, ihnen sagen: Wir sind nicht eure Gegner, die Juden sind es. Ich finde das sehr plausibel. Man wollte sich immunisieren gegen Verfolgung.
Wie gelang es, die Schuld der Juden im Christentum theologisch zu zementieren?
Zuerst durch die Evangelien. Die Passionserzählungen sind der Kern des christlichen Glaubens, sie sind zutiefst prägend. Im zweiten Jahrhundert spielen berühmte Passionspredigten zum Gottesmord dann eine grosse Rolle, wenige Hundert Jahre später die Schriften der Kirchenväter. Augustinus etwa sagt: Der römische Staat soll Juden vor dem Tod schützen, aber er soll sie auch entrechten, damit die Christen sehen, was geschieht, wenn man vom rechten Glauben abfällt. Diese Tradition ist ungeheuer wirksam in der Politik der Päpste, des christlichen Europas, bei Luther und weit darüber hinaus. Es ist die Theologie des Zorns Gottes.
«Die neutestamentliche Wissenschaft kann nur schwer eingestehen, dass antijüdisches Denken schon in den Heiligen Schriften des Christentums eine Rolle spielt.» Christian Wiese
Der Kern des antijüdischen Denkens sind aber die Evangelien?
Das ist ein heikles Thema. Auch im christlich-jüdischen Dialog. Die neutestamentliche Wissenschaft kann nur schwer eingestehen, dass antijüdisches Denken schon in den Heiligen Schriften des Christentums eine Rolle spielt. Ein Argument lautet oft, dass die Evangelien selbst ja noch jüdische Schriften seien und daher per se nicht antijüdisch sein könnten. Was da auftaucht, sei also nur ein innerjüdischer Konflikt.
Chaim Cohn sieht das anders.
Absolut. Seine Diagnose lautet, dass mitten im Neuen Testament, im Herzen des christlichen Glaubens, Wurzeln einer judentumsfeindlichen Theologie zu finden sind. Und ich finde, dass man das ernst nehmen muss. Sicher gab es auch einen vorchristlichen Antisemitismus, aber erst mit dem Neuen Testament gewinnt das an systematischem Charakter.
Was ist nun Cohns Methode, den Gottesmordvorwurf aufzuklären?
Das Aussergewöhnliche besteht darin, dass er juristisches Denken und eine ausserordentliche Kenntnis des Talmuds und der Geschichte des antiken Judentums vereint. Das gibt es sonst kaum, weder bei jüdischen noch bei christlichen Gelehrten. Er gleicht die Erzählungen des Neuen Testaments mit den Rechtsverhältnissen jener Zeit ab. Dafür unterzieht er die Quellen einer knallharten historischen und juristischen Kritik.
Wie funktioniert seine historische Kritik?
Die Evangelien sind nicht als Geschichtsquellen zu verstehen, sondern im historischen Kontext. Berichte anderer Quellen gibt es kaum. Also rekonstruiert er den eigentlichen Verlauf, indem er die evangelischen Berichte einem Kreuzverhör unterzieht. Er fragt bei jedem Detail, ob das wirklich so gewesen sein kann, in Anbetracht der damaligen Verhältnisse.
Welche Details sind das?
Zum Beispiel: Wäre der Hohe Rat der Juden, der grosse Sanhedrin, für einen solchen Prozess überhaupt zuständig gewesen? War er nicht, das wäre der kleine Sanhedrin gewesen. Oder: Kann dieser Prozess nachts stattgefunden haben, wie berichtet wird? Geht nicht, laut jüdischem Recht. Oder: Kann der Prozess am Vorabend des Pessach-Fests, einem der heiligsten Tage der Juden, stattgefunden haben? Nein, kann er nicht. Wenn Cohn hier einen Indizienprozess geführt hätte, dann wäre dieser damit schon geplatzt.

Zwanzig Jahre hat Chaim Cohn an seinem Buch gearbeitet.
Chaim Cohn, geboren 1911 in Lübeck, wanderte 1930 nach Palästina aus und studierte Judaistik und Jura. Seit der Staatsgründung Israels 1948 arbeitete er dort nacheinander als Generalstaatsanwalt, Justizminister und Richter am Obersten Gerichtshof. Zwischen 1948 und 1968 schrieb er an seinem Buch «Der Prozess und Tod Jesu aus jüdischer Sicht», in dem er die Vorwürfe des Neuen Testaments gegenüber den Juden einer historischen Kritik unterzieht. Cohn starb 2002 in Jerusalem.
Was bleibt dann noch von der Passionsgeschichte übrig?
Cohns These ist kühn, aber beeindruckend. Dass die Initiative von den Römern ausging, haben vor ihm schon viele gesagt. Für ihn aber ergibt die ganze Erzählung nur dann Sinn, wenn man annimmt, dass in jener Nacht im Haus des Jerusalemer Hohenpriesters Kajafas etwas anderes stattgefunden hat, als in den Evangelien berichtet wird. Nämlich kein Prozess oder Vorverhör, sondern das Gegenteil: ein Rettungsversuch. Der jüdische Rat soll versucht haben, Jesus auszureden, am folgenden Tag beim Prozess auszusagen, er sei der König der Juden. Als Jesus das ablehnt, zerreisst Kajafas seine Kleider – aus Verzweiflung. Cohn betrachtet das aus allen Perspektiven, folgt zahlreichen Ansätzen, am Ende bleibt nur diese These übrig.
Wie lautet sein Schlussplädoyer?
Die römischen Machtbehörden haben Jesus nicht nur hingerichtet, von ihnen ging auch die ganze Initiative dazu aus. Denn erstens fürchteten sie einen jüdischen Aufstand und zweitens konnten sie nicht hinnehmen, dass da jemand rumläuft und sagt, er sei der König der Juden. Das hätte nämlich den Herrschaftsanspruch des römischen Reiches infrage gestellt – unabhängig davon, wie Jesus sein eigenes Königsein verstanden hat. Cohn führt vor allem die Machtverhältnisse an: Niemals hätte sich die römische Besatzungsmacht von den Juden ein Todesurteil diktieren lassen.
Also Freispruch für das jüdische Volk?
Mehr als das. Für Cohn hat die jüdische Oberschicht nachts im Hause des Kajafas sogar versucht, Jesus zu retten. Leider erfolglos.
Wie ist es um Cohns Überparteilichkeit bestellt?
Chaim Cohn kommt aus einer bekannten orthodoxen Familie, sein Onkel war Joseph Carlebach, Oberrabbiner von Hamburg. Seit dem Vorschulalter studierte er die religiösen Schriften, seine Zukunft als orthodoxer Rabbiner stand eigentlich fest. Doch im Studium liest er Spinoza, Nietzsche, Hume, geht nach Palästina und wendet sich von der Orthodoxie ab. Während der Shoah – sein Bruder wurde im Vernichtungslager ermordet – wendet er sich vollständig vom Gottesbegriff ab. Unabhängig davon hat er auch als säkularer Jurist bis zum Ende seines Lebens den Talmud studiert – er ist ein herausragender Kenner der Materie.
Ist ihm die Überparteilichkeit in diesem Prozess geglückt?
Als nichtjüdischer Interpret ist das schwer zu beantworten. Ich meine schon, dass er Voraussetzungen mitbringt, die seine Interpretation beeinflussen. Aber ich kann bei ihm kein Ressentiment gegen das Christentum als religiöse Tradition finden. Obwohl er die Tragik klar erkennt, welche Schuld sich das Christentum durch diese Tradition bis heute aufgeladen hat. Jesus beschreibt er als herausragenden jüdischen Denker, der auch dem heutigen Judentum etwas zu bieten hätte.
Wie ist die heutige Haltung der Christen gegenüber der Schuldfrage am Tode Jesu?
Im christlich-jüdischen Dialog gibt es grossartige Fortschritte. Aber das trifft nicht unbedingt auf die christlichen Gemeinden zu. Als ich in der Rheinischen Landeskirche als Vikar zur Frage des christlich-jüdischen Dialogs zur bleibenden Erwählung des jüdischen Volkes gesprochen habe, da haben einige Gemeindemitglieder nur gesagt: «Das kann nicht sein! Wir Christen sollen nur die zweite Liebe Gottes sein, obwohl sich die Juden gegen ihn gewandt haben?» Da ist eine Schicht dieser jahrhundertealten antijüdischen Mentalität weiterhin wirksam.
Wann haben Sie Chaim Cohn getroffen?
Ich habe ihn vier Jahre, nachdem ich sein Buch übersetzt hatte, in Jerusalem besucht, da war er schon sehr gebrechlich. Wir sassen in seiner Bibliothek, und er sprach sein wunderschönes, etwas antiquiertes Deutsch der Weimarer Zeit.
Was hat ihn angetrieben?
Für ihn war das religiöse Motiv ganz wesentlich für die Shoah. In Verbindung mit diesem völlig widersinnigen Ansinnen, dass nun ausgerechnet der jüdische Staat für diesen Prozess zuständig sein sollte – das hat ihn im Kern getroffen und herausgefordert. Ihn trieb die Frage danach um, was zu einem solchen Menschheitsverbrechen führen konnte. Doch obwohl er sehr desillusioniert war vom Wesen des Menschen, glaubte er an dessen positives Potenzial. Das Recht spielt für ihn die massgebliche Rolle in der Gestaltung einer humanen Gesellschaft – viel mehr als die Religion. Deshalb sass er unter anderem im UN-Menschenrechtsrat und war Mitglied des Ständigen Schiedshofs in Den Haag.
Wie lange hat er an diesem Werk gearbeitet?
Erst hat er drei Jahre recherchiert, unternahm etlichen Reisen, führte Gespräche und widmete sich der Lektüre Hunderter Werke. Dann hat er acht Jahre geschrieben an der hebräischen Erstausgabe und dann noch mal einige Jahre an der englischen Fassung gearbeitet. Insgesamt hat er in dieses Buch fünfzehn, zwanzig Jahre investiert.
Dabei war er Generalstaatsanwalt, Justizminister, Richter am Obersten Gerichtshof und Präsident der Vereinigung für Bürgerrechte.
Richtig. Und nebenher noch all diese Ausschüsse und Positionen. Unvorstellbar. An seinem Buch hat er nachts geschrieben. Sein Leben war geprägt vom Studium. Jeden Morgen hat er ein paar Stunden der Lektüre jüdischer Texte gewidmet. Seine Freizeit war die Arbeit. Man kann aus seinen Schriften die Detailversessenheit ablesen. Er wollte mit ihnen etwas bewirken, das war kein Hobby, er hatte eine «Message».

Christian Wiese
Christian Wiese, geboren 1961, ist evangelischer Theologe und Judaist. Seit 2010 ist er Inhaber der Martin-Buber-Professur für Jüdische Religionsphilosophie an der Goethe-Universität Frankfurt. Seine Schwerpunkte dort sind unter anderem die Geschichte der jüdisch-christlichen Beziehungen und die Antisemitismusforschung. Gemeinsam mit Hannah Liron übersetzte er das 1997 in Deutschland erschiene Werk Cohns.
Wie hat er das alles zeitlich unter einen Hut gebracht?
Mit Disziplin. Er erzählte, welches Vermögen ihm seine Ausbildung gegeben hat. Der frühe Unterricht in religiösen Traditionen, viel memorieren, striktes Studieren, die Pflicht der Lektüre. Er konnte unglaublich gut auswendig lernen, war ausserordentlich diszipliniert und voller Interesse. Damit verkörpert er das klassische Bildungsideal jener Generation deutscher Juden um den Ersten Weltkrieg. Cohn kannte das Recht in- und auswendig. Wenn ich seine Argumentationen lese, habe ich nicht den Eindruck, dass er beim Verfassen ständig zwanzig Bücher um sich hatte und Zitate nachschlug, sondern dass er das alles wirklich präsent hatte. Einer, der aus der Fülle seiner Kenntnis argumentiert.
Und was hat seine Frau dazu gesagt?
Ich vermute, etwas Ähnliches wie meine Frau. Wie das eben ist in solchen Professionen: Man sitzt inmitten seiner Bücher und hat zu wenig Zeit. Beim nackten Lebenslauf von Chaim Cohn allein kann einem schon schwindelig werden. Und sicher hat den Preis dafür auch die Familie bezahlt. Und doch war er sehr bemüht um seine Mitmenschen. Als ich ihm bei meinem Besuch von den langwierigen Befragungen erzählte, die mir bei der Abreise am Jerusalemer Flughafen bevorstünden, gab er mir seine Privatnummer und den Rat, den Beamten zu sagen, ich käme von einem Besuch beim ehemaligen Obersten Richter Chaim Cohn.
Hat es gewirkt?
Und wie – ich wurde gleich durchgewunken.
Warum ist Chaim Cohns Buch, diese Frage nach der Schuld am Tode Jesu, heute noch so wichtig?
Weil das eine wirkliche Unheilsgeschichte ist, die Chaim Cohn zwanzig Jahre nach der Shoah aufgreift. Ich habe mich immer gefragt, wieso im Zuge dieser Grausamkeiten vor allem die jüdische Theologie so schwer ins Hadern mit Gott gekommen ist und die christliche da so relativ unbefangen rauskam, ohne grundsätzlichen Zweifel am Gottesbegriff. Wie sehr die eigene, christliche Tradition überschattet ist, das ist einer breiten Schicht noch gar nicht bewusst. Eigentlich ist in Auschwitz das Christentum gestorben und nicht das Judentum, sagt der Publizist Elie Wiesel, der Auschwitz überlebt hat. Das ist die Herausforderung dieses Buches an christliche Leserinnen und Leser.
Holger Fröhlich ist Redaktor und Reporter beim Wirtschaftsmagazin «brand eins».
Der Fotograf Peter Jülich lebt in Frankfurt.