Die Seite wurde Ihrer Lesezeichenseite hinzugefügt. Klicken Sie auf das Menüsymbol, um alle Ihre Lesezeichen anzuzeigen. Die Seite wurde von Ihrer Lesezeichenseite entfernt.
Freitag, 15. Oktober 2021

Frau Horstmann, was hat die Theologie mit Tieren zu schaffen — müssen wir im Himmel auch noch Schafe hüten und mit Hunden spazieren gehen?

Nein, keine Sorge. Die traditionelle Theologie lehrt nämlich einen Himmel, in dem Tiere nicht vorkommen. Schade eigentlich, es möchte doch niemand in den Himmel kommen, wenn befreundete Tiere dort nicht auf uns warten. Ein solcher Himmel ist wenig verheissungsvoll. Das ist eine theologische, aber auch eine pragmatische Schwierigkeit. Wenn Tiere am Ende nicht zählen, dann fällt es mir als Theologin schwer, Argumente zu finden, warum Tiere überhaupt im irdischen Leben eine Rolle spielen sollen. Eine darauf aufbauende Theologie ist strukturell beschädigt, deswegen muss auch jede theologische Tierethik erst einmal ihre dogmatischen Grundlagen klären.

Was für das Tierwohl zu tun ist, liegt auf der Hand. Aber warum braucht es überhaupt eine geisteswissenschaftliche Auseinandersetzung darüber?

Weil es eben nicht auf der Hand liegt. «Tierwohl» ist ein politisch gefärbter Begriff mit sehr engen Grenzen. Weit darüber hinaus geht es aber um die grundlegendere Frage, warum wir heute überhaupt noch Tiere halten, töten und konsumieren, warum unser Leben so sehr auf dem Leiden von Tieren basieren soll. Ein Grossteil dessen, was wir wie selbstverständlich Tieren antun, ist nicht mehr notwendig. Es muss Aufgabe der Theologie sein, hellhörig zu werden, wenn Gewalt und Tod zur Notwendigkeit verklärt werden, egal, um welche Lebewesen es sich handelt. In der Debatte um die Tierversuche etwa zeigt sich, wie theologische Opfer-Semantiken instrumentalisiert werden, um dem «Mythos von der erlösenden Gewalt» zu huldigen, wenn es etwa heisst, Tiere würden sich für uns opfern oder ihr Leben für die Forschung hingeben. Gewalt an Tieren als Erlösungsgeschehen zu deuten liegt dem Christentum fatalerweise gleichermassen nah wie fern.

«An Schlachthöfen erschreckt mich, mit welcher gnadenlosen Selbstverständlichkeit dort im Sekundentakt getötet wird. Beim Schächten im Islam und Judentum existiert zumindest in der Theorie ein Bewusstsein dafür, dass ein Tabubruch vollzogen wird.»

Inwiefern ist Gewalt an Tieren in der Religion begründet?

Gewalt an Tieren scheint – wenn ich das so polemisch formulieren darf – zur Kernkompetenz vieler Religionen zu gehören: Man kann hier ritualistische Gewalt wie das Schächten anführen. Mir als christlicher Theologin geht es aber vor allem um Deutungsgewalt : Sie äussert sich in nihilistischen Deutungen, die dem Leben von Tieren jedwede Bedeutung absprechen. Auch wir finden viel zu selten eine Sprache dafür, dass das Leben anderer Lebewesen Bedeutung hat. An der Wirklichkeit der Schlachthöfe erschreckt doch vor allem, mit welcher gnadenlosen Selbstverständlichkeit dort im Sekundentakt getötet wird, als wäre es das Normalste der Welt. Beim Schächten im Islam und Judentum steht zumindest theoretisch noch ein Bewusstsein dafür im Hintergrund, dass dort ein Tabubruch vollzogen wird, auch wenn die Praxis oft anders – grauenvoll – aussieht. In der modernen Tier-Tötungsindustrie ist ein solches Bewusstsein völlig verloren gegangen. Beide Formen aber zeigen, dass Religionen, was die Beziehung zum nicht-menschlichen Leben angeht, nach wie vor Akteure von abgründigster Gewalt sind.

Wie weit dürfen wir in unserer Kritik gehen, ohne andere Religionen zu bevormunden?

Wir müssen eben miteinander, nicht übereinander sprechen. Diese Bereitschaft erkenne ich zunehmend in der jüdischen, muslimischen und christlichen Theologie. Das funktioniert auch ohne Bevormundung.

Ist nicht die Thematisierung allein schon Bevormundung?

Das glaube ich nicht, das Thema beschäftigt auch die islamische und die jüdische Community. Es wäre wohl gleichermassen fatal wie aufschlussreich, wenn die Thematisierung von tötender Gewalt als Bevormundung wahrgenommen würde. Bevormundet werden vor allem die Tiere, denen man die Stimme und das Leben nimmt.

Sind alle gesprächsbereit?

Nein, aber das gilt für alle. Tiertheologie allein wirkt sicher schon für einige Mitchristinnen und -christen eigenartig und fremd.

Sie forschen und lehren als katholische Theologin an der Technischen Universität Dortmund. Wie gross ist das Gebiet der Tiertheologie?

Tiertheologie wächst an vielen Standorten, in der Theorie und in der Praxis – vielleicht sogar stärker als jedes andere theologische Thema: weil immer sichtbarer wird, dass die Theologien ihren unhaltbaren und schädlichen Anthropozentrismus überwinden müssen und daran selbst wachsen, sich neu erfinden und sich aus den Augen anderer Lebewesen sehen können. In einer Lesart bedeutet das: Es steht nicht immer nur der Mensch im Mittelpunkt. Wenn man es weiter zuspitzt, dann bedeutet es vielleicht sogar: Was wäre, wenn nicht die anderen Tiere für uns, sondern wir für sie geschaffen worden wären? Der christologische Deutungsbegriff der Kenosis, der Selbstentäusserung, ist sicher eine der wichtigsten tiertheologischen Quellen.

Es werde der Mensch!

Den Anthropologen Carel van Schaik treibt eine Frage um: Was m...

August 2018
Holger Fröhlich
Ruben Hollinger

Wo bekommen Sie denn Gegenwind in der christlichen Theologie?

Anfangs gab es sicher ein gewisses Befremden, aber das nimmt ab. Ich kann das teilweise nachvollziehen, denn Tiertheologie rührt an den grössten Selbstverständlichkeiten. Unser aller Leben basiert schliesslich auf unterschiedlichen Formen der Gewalt an Tieren. Ich bin davon auch nicht gänzlich frei: Wenn ich krank bin, nehme ich Medikamente, die sicherlich an Tieren getestet wurden. In gewisser Weise erlebe ich mich also auch selbst als Gegenwind, gegen den ich ankämpfe.

Sie leben nicht nur vegetarisch, sondern auch vegan. Spricht aus Ihrer theologischen Sicht auch etwas dagegen, Milch oder Eier zu essen?

Spricht denn etwas dafür, Kühe permanent schwanger zu halten und ihnen die Kinder wegzunehmen, die dann für ein paar Euro wie Abfallprodukte verscherbelt werden? Sobald die Milchkühe ausgemergelt und körperlich am Ende sind, werden sie auf mitunter tagelangen, qualvollen Transporten um den halben Globus zu ihren Tötungsstätten verfrachtet, das gilt natürlich auch für die «Biotiere». Hühner in der Eierindustrie werden teilweise zu mehreren Hunderttausend Tieren in kleinen Hallen zusammengepfercht gehalten, um mit nur einem Jahr, in einem grauenhaften Zustand, einfach nur noch entsorgt zu werden. Die Welt der sogenannten Nutztiere ist ein nie endender Albtraum, ein Leben, das fast nur aus Angst, Dunkelheit, Deprivation und Qual besteht. Das kann durch keinen Latte-macchiato-Genuss gerechtfertigt werden.

Was ist mit Eiern von Freilandhühnern und dem Fleisch vom lokalen Biometzger? Können wir das guten Gewissens essen?

Auch Freilandhaltung bedeutet häufig, dass die männlichen Geschwister der Hennen im Alter von ein bis zwei Tagen geschreddert werden. Dann werden die verbliebenen Tiere tierärztlich nur versorgt, wenn der gesamte Bestand gefährdet ist – einzelne Tiere zählen da nicht, die lässt man oft einfach sterben. Schon im Alter von nur einem guten Jahr, wenn die exorbitante Legeleistung abnimmt, werden die Tiere geschlachtet: meist in riesigen «Geflügelschlachthöfen» in den Niederlanden oder in Polen. Dort enden die Tiere nach einer strapaziösen Fahrt, sie sterben am Fliessband kopfüber hängend in den automatischen Messern der Schlachtmaschinen. Allein in den deutschen Schlachthöfen sind das pro Tag 1,7 Millionen Hühner. Das zeigt zumindest mir: Begriffe wie «Biofleisch» oder «Biometzger» haben doch gerade die Funktion, das Gewissen angesichts dieser Monstrositäten zu beruhigen. Immerhin bedeutet das Präfix «bio» so viel wie Leben, und wenn man das weiss, dann muss man wohl sagen: Natürlich gibt es überhaupt kein «Biofleisch». Fleisch ist immer «nekro», also die tödliche Entscheidung gegen das Leben eines anderen.

Sie ernähren nicht nur sich selbst, sondern auch Ihre Tiere vegan. Wie funktioniert das? Woher wissen Sie, dass diese nicht kulinarisch fremdgehen?

Unsere Hühner bekommen gelegentlich Mehlwürmer. Bei den Katzen bin ich etwas zurückgerudert, aber nicht etwa, weil es ihnen schlecht ginge, sondern weil mir noch einige Studien dazu fehlen. Vegane Ernährung für Hunde funktioniert. Das alles ist medizinisch abgesichert, aber sicher trotzdem ein schmaler Grat: Theologisch steckt der Versuch dahinter, die Verheissung des Paradieses in die Gegenwart zu holen. Die vermeintlich fixe Natur der Tiere wirkt dann mit einem Mal gar nicht mehr so natürlich und wird von einer gleichermassen un- wie übernatürlichen Wirklichkeit her neu verstehbar.

Haben Sie die Katzen zu sehr bevormundet?

Ja, möglicherweise. Aktuell bekommen die Katzen nur noch zur Hälfte veganes Trockenfutter. Ich treibe die Experimente nicht zu weit, aber wir wachsen weiter miteinander. Trotzdem störe ich mich an dem Begriff «Bevormundung»: Wer meine Entscheidung als Bevormundung deutet, sollte wohl zuallererst klären, wie viele andere Tiere er oder sie bevormundet, wenn mit oftmals völliger Gleichgültigkeit über deren Leben entschieden wird.

Im Buch Genesis steht, der Mensch solle sich die Erde untertan machen und über die Tiere herrschen, andererseits soll der Christ die Schöpfung bewahren. Was gilt denn nun?

Beide Formulierungen haben das gleiche Problem – sie zehren vom aufgebrauchten Kapital der sogenannten Schöpfungsordnung. Die Formel der «Schöpfungsbewahrung» setzt den Menschen in die Position eines «Schöpfungshausmeisters». Er muss die Ordnung aufrechterhalten, partizipiert aber nicht am positiven Geschehen seiner Wirkungsstätte. Wir brauchen eine christliche Sprache dafür, dass wir an der Wirklichkeit in der Schöpfung tatsächlich teilnehmen und nicht nur Ordnungshüter sind.

«Es ist bezeichnend, dass wir jene Menschen als ‹radikal› wahrnehmen, die sich gegen das Töten von Tieren aussprechen.»

Muss man das Buch Genesis dann nicht umschreiben?

Das dürfte weder möglich noch wünschenswert sein. Statt des «Umschreibens», also der exegetischen Entschärfung oder der historischen Relativierung, setze ich darauf, dass wir uns bewusstmachen, wie tief Gewalt in unsere Traditionen eingeschrieben ist. Es wäre aber ein tragisches Missverständnis, diese Tatsache zur Legitimation für weitere Gewalt heranzuziehen. Es kann durchaus eine heilsame Erfahrung sein, dass wir unser gewalthaltiges Erbe auszuhalten und sichtbar zu halten haben, gerade um weitere Gewalt zu vermeiden.

Es setzt sich immer mehr durch, dass Tiere in der Theologie keine seelenlosen Wesen sind, aber ihre Seele nicht ewigkeitsfähig und erlösungsbedürftig ist. Wie würden Sie Kindern erklären, was mit ihren verstorbenen Haustieren passiert?

Zunächst einmal sollten nicht nur Kinder, sondern wir alle endlich anerkennen, dass Tiere wirklich sterben, genauso wie wir auch. Die Begrifflichkeit des «Verendens» ist ein Desaster, weil sie unterstellt, dass Tiere gar nicht sterben, obwohl sie es in unserer Gesellschaft tagtäglich zu Millionen tun. Wenn in der Bibel von der Seele die Rede ist, geht es nicht um eine konzentrierte Substanz, nicht um ein substanzielles Etwas, das allein Menschen zukäme, sondern um die schlichte Erfahrung, beseelt zu werden. Alles Lebendige kann sich gegenseitig helfen, Lebendigkeit zu erfahren. Es ist die Erfahrung, dass wir von anderen aus der Verlassenheit gezogen werden können, selbst aus der Todesverlassenheit. Deswegen ist die Erfahrung des Beseeltwerdens die eigentliche Gotteserfahrung.

Und was glauben Sie? Begegnen Sie dann doch Ihren geretteten Hühnern nach dem Tod?

Ja, es gibt einen Himmel für alles Lebendige. Es gibt doch kaum eine grössere Hoffnung, als geschundenes und bedrohtes Leben heilvoll und verwandelt aufgehoben zu erleben; alles Weitere bleibt trotzdem ein unanschauliches, unergründbares Geheimnis.

Und wie hat sich die theologische Sichtweise auf den Umgang mit Tieren verändert?

Das Verhältnis von Mensch und Tier spiegelt immer auch die jeweilige Gesellschaft wider, insofern ist auch die Bibel am gewalthaltigen Mensch-Tier-Verhältnis nicht unschuldig. Sie kennt natürlich Formen der Gewalt an Menschen wie Tieren und Strukturen, die sie legitimieren. Die Moderne hat viele Hierarchien aufgelöst und Gewaltdispositive unterlaufen. Von hier aus können wir auch biblische Narrative neu wertschätzen, die eine bemerkenswerte Solidarisierung mit dem Leiden anderer Wesen ausdrücken und eben nicht blosse Opfersemantiken darstellen: Dass sich Jesus Christus als Lamm bezeichnet, ist sicher eine der Spitzenaussagen einer biblischen Tiertheologie.

Simone Horstmann, 36, promovierte über die «Ethik der Normalität». Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Systematische Theologie an der TU Dortmund. Ihr jüngster Sammelband, «Religiöse Gewalt an Tieren», gefördert durch ein Drittmittelprojekt der Volkswagenstiftung, ist im Transcript-Verlag erschienen.

Immer mehr Menschen wünschen sich, mit ihren Haustieren bestattet zu werden. Wie sehen Sie diesen Versuch, dem Tier für immer nahe zu sein?

Das ist ein legitimer Ausdruck von Bindung. Es gibt keine vernünftigen Gründe, die dagegensprechen. Ich bin froh, dass das auch immer mehr Kolleginnen und Kollegen in der Theologie bestätigen.

In Ihrem jüngsten Buch definieren Sie «nicht-menschliche Tiere». Was heisst das?

Als Wissenschaftlerin brauche ich natürlich sprachliche Formulierungen und Begriffe, die der Wirklichkeit gerecht werden, gendergerechte Sprache will nichts anderes. Auch die Kirche erkennt das Evolutionsparadigma an. Dieses sagt ganz klar: Wir Menschen sind auch Tiere, eben menschliche Tiere.

Der medizinische Fortschritt ermöglicht heute schon die Transplantation der Herzklappen von Schweinen oder Rindern in den menschlichen Körper. Menschen kann man nach ihrem Einverständnis fragen, Tiere nicht. Sollte man gar nichts mehr transplantieren?

Xenotransplantation, also die Übertragung von Gewebe oder Organen zwischen verschiedenen Spezies, wie auch Tierversuche funktionieren nur wegen der starken Ähnlichkeit zum Menschen. Um das ethisch zu legitimieren, müssen wir trotzdem einen massiven normativen Unterschied unterstellen, und genau dort läuft ein Bruch durch das Konstrukt, den ich nicht nachvollziehen kann.

Ein Ferkel auf einer Farm im Burgund, Februar 2021.

Was ist das genau für ein Bruch?

Alles, was sich über den Lebenswillen anderer Tiere hinwegsetzt, braucht starke Argumente. Der Selbstverständlichkeit, mit der wir uns über diesen Willen anderer Wesen hinwegsetzen, fehlen fast immer die Argumente. Egal ob für Forschung oder Fleischkonsum, wir leisten uns eine Tötungsindustrie, die in ihrem Ausmass, ihren Folgen und ihrer sagenhaften Gleichgültigkeit einem Zivilisationsbruch gleichkommt.

Sie halten selbst Hühner, die Sie gerettet haben. Sind Sie als Tierschützerin aktiv?

Eigentlich ist doch jeder in dieser Frage aktiv – der Gang in den Supermarkt, der Besuch an der «Fleischtheke», oder der Gang zur Wahlurne sind Formen von Aktivismus für die eine oder die andere Richtung. Sicher versuche ich nach Kräften, mich für Tiere einzusetzen, durch Tierrettungen, durch die Bücher, die ich schreibe. Allerdings mag ich den Begriff «Aktivismus» nicht, weil er manchmal suggeriert: Es gibt da diejenigen, die sich kümmern, also kann ich mich zurücklehnen und besser vergessen, wie viele meiner Alltagsentscheidungen doch bereits hochgradig tierschutzrelevant sind oder es sein könnten.

«Die Beziehung der Theologie zu den nichtmenschlichen Tieren ist eine der zentralsten Zukunftsfragen.»

Im Tierschutz treten Organisationen wie PETA recht vehement auf. Wie radikal darf Tierschutz in Ihren Augen sein?

Es ist doch bezeichnend, dass wir reflexartig jene Menschen als «radikal» wahrnehmen, die sich gegen das Töten von empfindsamen Lebewesen aussprechen und deren Schutz vor menschlicher Willkür fordern. Ebendiese Haltung, die Tierschutz- und insbesondere Tierrechtsakteure als «radikal» diffamiert, ist wirklich radikal. Um am gedankenlosen Töten und eigenen Bequemlichkeiten festhalten zu können, kritisiert man die vermeintliche «Radikalität» jener, die Unrecht dokumentieren, aufdecken und überwinden wollen. Wenn Christinnen und Christen es als radikal empfinden, andere Lebewesen nicht zu töten, dann ist das Christentum am Ende, und das dann auch zu Recht.

Tierquälerei wurde in Deutschland lange juristisch als Sachbeschädigung geahndet. Sind wir weiter, seitdem das Umweltbewusstsein in der Gesellschaft gewachsen ist?

Ja, mit der Erweiterung eines Artikels im Grundgesetz von 2002, dass der Staat auch die Tiere zu schützen hat, wurde sicher eine wichtige Weichenstellung vorgenommen, gerade weil sie zwischen Umweltschutz und dem individuellen Tierschutz unterscheidet. Was sich im gesellschaftlichen Bewusstsein tut, geht oft noch darüber hinaus. Wir sind weiter als die Vorstellung aus dem bürgerlichen Recht und wollen Tiere vielfach nicht mehr als Eigentum verstehen. Unser gesellschaftliches Bewusstsein prägt immer mehr die Verbundenheit von uns Menschen mit anderen Tieren, das macht es auch notwendig, politisch grundlegend umzudenken: Leider ist die Politik von einem grossen Unwillen in dieser Sache geprägt.

Wird die Kirche ihre Position zu Tieren grundsätzlich verändern?

Ja, ich hoffe darauf, weil ich in den vergangenen Jahren viele Veränderungen gesehen habe. Die Beziehung der Theologie zu den nichtmenschlichen Tieren ist eine der zentralsten Zukunftsfragen – auch an ihr wird sich zeigen, wie die Zukunft der Theologie und des Christentums aussehen wird.