Die Seite wurde Ihrer Lesezeichenseite hinzugefügt. Klicken Sie auf das Menüsymbol, um alle Ihre Lesezeichen anzuzeigen. Die Seite wurde von Ihrer Lesezeichenseite entfernt.
Freitag, 10. Februar 2023

Wenn Tobias Adam etwas bewegen möchte, dann kritzelt er ein paar Worte auf ein Stück Karton und hält es in die Höhe. An diesem Freitag im September steht mit bunten Strichen auf seinem Schild: «Fridays for Future». Adam steht im Eingang der Zürcher Predigerkirche. Er trägt eine Kette mit Kreuz um den Hals, der Dreitagebart lässt ihn älter wirken als 24. Ein Pfeil auf seinem Schild zeigt in Richtung Treppe. Im Turmzimmer der Kirche hat eine junge Pfarrerin eine kurze Zeremonie vorbereitet; gemeinsam beten, bevor es weitergeht zum Klimastreik.

Neben Adam sind weitere zwölf meist junge Menschen da, sie legen ihre Taschen und Mammut-Rucksäcke auf die Tische ­nebenan und setzen sich auf Stühle in einen offenen Halb­kreis. Zuerst Stille, Meditation, einatmen, ausatmen, dann liest die Pfarrerin einen Psalm über die göttliche Schöpfungskraft. ­Alle stehen auf, legen die Hände aufs Herz und strecken sie anschliessend nach oben Richtung Himmel, während die Pfarrerin weiterspricht. «Gott, du hast uns Verantwortung ge­geben. Wir wollen diese wahrnehmen und uns um die Welt um uns ­herum kümmern.»

Glauben und Aktivismus

Das überschaubare Grüppchen rund um Adam ist der Kern der «Christian Climate Action» in der Schweiz. Diese Bewegung kämpft gegen die Klimaerwärmung aus religiösen Motiven. Und sie bringt Glauben und Aktivismus zusammen: Zuerst beten, dann streiken – wobei manche sagen, der Streik sei für sie ­ebenfalls eine Art Gebet.

Tobias Adam ist der vielleicht engagierteste, sicher aber der umtriebigste unter ihnen. Er streikt und betet nicht nur, er politisiert auch in der reformierten Kirchensynode Zürich. Früher war er zudem Präsident der jungen EVP des Kantons Zürich. Nach der Debatte zur «Ehe für alle» trat er jedoch aus der Partei aus, weil sie ihm gesellschaftspolitisch zu konservativ war. Für seine Bachelorarbeit – Adam studiert Theologie – machte er ­einen Podcast zum Thema Klima und Glauben.

Rund 20 Minuten dauert die Zeremonie im Grossmünster. Zum Abschluss wird gemeinsam ein Vaterunser gebetet – «auf ökologisch». Die bekannten Zeilen sprechen alle zusammen, dazwischen schiebt die Pfarrerin jeweils «ökologische» Gedanken ein. «Wenn ich sehe und miterlebe, wie Menschen deine Schöpfung missachten, sie ausbeuten und zerstören; wenn ich daran glaube, dass du, Gott, diese Welt noch nicht aufgegeben hast, dann bete ich.» – «Dein Reich komme. Dein Wille geschehe.» Und später: «Wenn ich Energie verschleudere nur für etwas kurzfristige Unterhaltung und mir nichts weiter dabei überlege; dann bete ich.» – «Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.» Nach dem Amen packt Adam das Kartonschild in seinen Rucksack und die Gruppe bricht auf zur Klimademo.

Das Potenzial wäre gross

Einige Wochen später sitzt Tobias Adam bei einer Tasse Schwarztee in einem Zürcher Café. Seine blonden Haare hat er zu einem Dutt zusammengebunden, die grossen Kopfhörer in der Tasche verstaut. Er höre Irish Folk, sagt er darauf angesprochen. Überhaupt ist er von der irischen Kultur angetan, er habe 40 Whisky-Sorten zuhause. «Ich könnte Tage in irischen Pubs verbringen», sagt er und lacht. «Es gibt kaum fröhlichere Orte.»

Tobias Adam ist kein radikaler, schon gar kein gewaltbereiter Protestler. Er argumentiert vorsichtig, relativiert, differenziert. Einmal sagt er, dass er ja wisse, wie schwierig es sei, grosse Institutionen wie die Kirche zum Wandel zu bewegen. Und er sehe auch, was alles schon getan werde fürs Klima, etwa das ­Projekt «Grüner Güggel».

Doch das sei zu wenig – zu wenig dringlich, zu wenig verbindlich. Auch darum hat er die mut­masslich erste kirchliche Volksinitiative überhaupt lanciert. Mit dieser will er die reformierten Zürcher Kirchgemeinden dazu zwin­gen, bis 2035 klimaneutral zu werden. Bald wird er für die Unterschriftensammlung auf der Strasse stehen.

«Dieses Meer von Schirmen, all diese Menschen, die sich für eine gemeinsame Sache versammelten … dieses Bild werde ich nie mehr vergessen.» Tobias Adam

Das Gemeinschaftserlebnis steht auch am Anfang von Adams Engagement in der Klimabewegung. Von seinem ersten Klimastreik, der an einem regnerischen Tag auf der Polyterrasse der ETH Zürich begann, erzählt er: «Das Wissen über die Klimaerwärmung hatte ich vom Gymnasium. Emotional bewegte mich das aber erst, als ich mit der Polybahn zur ETH hochfuhr. Dieses Meer von Schirmen, all diese Menschen, die sich für eine gemeinsame Sache versammelten … dieses Bild werde ich nie mehr vergessen.»

Früher hätte man Adams Aktivismus womöglich als jugendlichen Übereifer abgetan. Vielleicht hätte man ihm auch geraten, nicht so viel Staub aufzuwirbeln, sich bedeckt zu halten und eine Position anzustreben, aus der heraus er etwas verändern kann. Doch Zeit zu warten, das ist der Punkt, bleibt in der Klimakrise keine. «Bereits heute sterben Menschen an den Folgen der Klima­erwärmung», sagt Adam. «Das kann einer Kirche, die die Nächstenliebe predigt, nicht egal sein.»

Für ihn ist unbestritten, dass sich Kirchen und andere Religionsgemeinschaften in dieser Frage engagieren müssen. Und theoretisch wäre ihr Potenzial riesig: Rund 84 Prozent der Weltbevölkerung sind religiös, vielerorts geniessen religiöse Führungsfiguren eine höhere Glaubwürdigkeit als etwa Politiker. Jens Köhrsen von der Universität Basel, der zu dem Thema forscht, sagt jedoch: «Tatsächlich wird leider recht wenig gemacht.» Der Hauptgrund dafür sei, dass Religionsgemeinschaften Ökologie nicht als ihre Kernaufgabe betrachteten (siehe Kasten).

Welchen Einfluss haben Religionsgemeinschaften auf den grünen Wandel? Und werden sie selber tatsächlich nach­haltiger? Diese Fragen untersucht Jens Köhrsen, Pro­fessor am Zentrum für Religion, Wirtschaft und Politik der Universität Basel.

Köhrsen sagt, dass das Potenzial als riesig erachtet wird. Schliesslich sind schätzungsweise 84 Prozent der Menschheit religiös. Die Bindung an Religionsgemeinschaften und ­deren Führungsfiguren ist vor allem im globalen Süden eng. «Es gibt eine breite theoretische Debatte darüber, dass wir für einen grünen Wandel nicht bei den Technologien, sondern bei den Moralvorstellungen der Menschen ­an­-­setzen müssten.» Dort könnten Religionsgemeinschaften eine wichtige Rolle spielen.

Die Religionen als Weltretter? Nur in der Theorie. Köhrsen sagt: «Tatsächlich wird leider recht wenig gemacht.» ­­Zwar gebe es sehr engagierte Gemeinden – diese seien aber eher die Ausnahme. Häufig wollten Dachverbände ihre Religionsgemeinschaften grüner machen, doch die Basis ignoriere dies entweder oder widersetze sich teilweise gar. Er erwähnt das Beispiel einer Kirchgemeinde, die in einem Versteck ihr herkömmliches Putzmittel bunkerte, als deren Dachverband die Verwendung eines ökologischen Reinigungsmittels durchsetzen wollte.

Dass Religionsgemeinschaften sich häufig nur mässig oder gar nicht engagieren, liegt gemäss Köhrsen hauptsächlich daran, dass sie den Kampf gegen den Klimawandel nicht als ihr Kernthema betrachten. Für seine Studie führte das ­Team an der Universität Basel Interviews mit Mitgliedern aus der reformierten und der katholischen Kirche, aus Freikirchen sowie mit muslimischen Gemeinschaften aus der Schweiz und Deutschland.

Oft hätten sie von ihren Gesprächspartnerin­-nen zu hören bekommen, dass diese sich primär um ihre Ge­mein­de kümmern müssten, um ihre spirituellen Dienst­leistungen und um die Sorgen der Menschen vor Ort, erzählt Köhrsen. «Viele empfinden ökologischen Aktivismus als etwas, das ihnen aufgepfropft wird, weil es wichtig ist für die Gesellschaft», sagt er.

Global betrachtet ist schliesslich — salopp gesagt — nicht ein­­­mal sicher, ob der Schuss nicht auch nach hinten losgehen kann. Denn gemäss Köhrsen gibt es einige Beispiele, bei denen Religionsgemeinschaften einen negativen Einfluss auf die Klimakrise hätten — wie etwa Evangelikale aus den USA. Das Fazit des Wissenschaftlers, das sich mit den Resultaten internationaler Studien deckt: Der Einfluss der Öko-­Theologie, also von guten theologischen Argumenten, werde über­schätzt. So habe beispielsweise auch die Verlautbarung von Papst Franziskus zum Klimaschutz («Laudato sì») aus dem Jahr 2015 nur wenig Wirkung gezeigt. «Entscheidender für ökologisches Handeln sind die Kosten, so etwa bei der Installation von neuen Heizsystemen.»

In seiner Studie formuliert Köhrsen zum Schluss die These, dass sich Kirchen und andere religiöse Organisationen ­erst dann verstärkt nachhaltig engagieren, wenn das Thema an der Basis wichtiger wird. Dies, damit sie den Draht zu ihren Mitgliedern nicht verlieren. eba

Für Adam kein Grund, zurückzustecken, im Gegenteil. Beim Treffen zum Tee zählt Adam zahlreiche theologische und noch viel mehr rationale Gründe für ein kirchliches Engagement auf. Auf den Punkt bringt es für ihn ein Zitat von Umweltanwalt Gus Speth, einst Berater des früheren US-Präsidenten Bill Clinton: «Ich dachte, dank 30 Jahren Wissenschaft könnten wir die grössten Umweltprobleme, namentlich den Verlust von Biodiversität, den Kollaps des Ökosystems und den Klimawandel angehen. Aber ich habe mich geirrt. Die wichtigsten Umweltprobleme sind Egoismus, Gier und Gleichgültigkeit.» Um diese anzugehen, braucht es gemäss Speth keine Wissenschaft, sondern einen spirituellen und kulturellen Wandel. Adam fragt sich: Wer, wenn nicht die Kirchen, könnte diesen Wandel anführen?

Druck der Jungen

September 2022. Im deutschen Karlsruhe treffen sich die Kirchenoberen von über 300 christlichen Kirchen aus der ganzen Welt zur Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK). Und Tobias Adam hat wieder einmal ein Karton­schild geschrieben: «EYG Climate Group» steht darauf, ein Verweis auf eine Whatsapp-Gruppe, in der sich Gleichgesinnte vernetzen sollten.

Als freiwilliger Helfer nach Karlsruhe gereist, ist Adams Rolle jene eines Platzanweisers: Dokumente ausdrucken und sie in Plenarsitzungen verteilen, Übersetzungsgeräte desinfizieren, Mikrofonchecks, Aufräumen. Adam hofft, dennoch etwas bewegen zu können. Die jungen Stewards seien «Herz-Kreislauf-System» sowie «Atmungsapparat» der ökumenischen ­Bewegung. So steht es auf der Website des ÖRK.

«Mir war gesagt worden, ihr Jungen habt eine Stimme», wird Tobias Adam später erzählen. «Doch als ich dort war, fragte ich mich, wie ich diese einbringen sollte. Ich war ja die ganze Zeit am Arbeiten.»

Also wendet er sich vor Ort an eine deutsche Mitstreiterin. Bei der Jugendkonferenz, die vor der Versammlung stattfindet, betreten die beiden die Bühne. Die Deutsche spricht, Adam hält das Schild in die Höhe. Der Plan: Weitere Klimaaktivisten ­re­krutieren, und dann den Weltkirchen ins Gewissen reden.

Wenig später sitzen 50 junge Menschen zusammen auf dem Boden, das Mittagessen auf dem Schoss. Sie diskutieren, wie sie die vorwiegend älteren Herrschaften davon überzeugen könnten, dass ein Appell für den Kampf gegen die Klimaerwärmung nicht bis zur nächsten Vollversammlung in acht Jahren warten kann.

Der Plan geht auf: Am Ende ist das Dokument verbind­licher und dringlicher formuliert als ursprünglich vorgesehen, unter anderem verpflichtet der ÖRK sich selbst zur Klima­neu­tralität ab 2030. Auch dank Sarah Bach, einer mit Adam befreundeten Klimaaktivistin, die als offizielle Delegierte der evangelisch-methodistischen Kirche vor Ort ist. Sie trägt die in den Mittagspausen erarbeiteten Forderungen der jungen Helfer zu den Kirchenoberen.

«Wir müssen uns mässigen»

Extremer Konsum zerstört den Planeten und macht uns erst noch ...

Oktober 2022
Andres Eberhard
Andreas Bättig
Federico Yankelevich

Gemessen am Einfluss des ÖRK ist dies ein kleiner Erfolg für die Jungen. Schliesslich sind solche Erklärungen für die Kirchen nicht verbindlich. Aber es ist einer. Und er gibt Adam und den anderen Aktivistinnen Zuversicht, dass Veränderung möglich ist, trotz allem.

Am Telefon sagt Sarah Bach später: «Mit dem ersten Entwurf waren wir sehr unzufrieden. Da wurde wiederholt, was die Kirchen seit 30 Jahren sagen, ohne Dringlichkeit. Am Ende war es cool zu sehen, was wir erreicht haben. Ich hatte das Gefühl, dass es so funktionieren könnte mit dem Wandel, im Kleinen, und vielleicht irgendwann auch im Grossen.»

Einer, der es «gecheckt» hat

In der Adventszeit lädt Tobias Adam zu einer Feier ins Stadt­kloster Zürich. Dieses ist für ihn Wohn- und Arbeitsort zugleich. Im Nebenjob ist Adam für den Verein tätig, der im ehemaligen Pfarrhaus von Zürich Wiedikon die jahrhundertealte Tradition der Klöster mit dem Leben urbaner Menschen verbinden will.

Fünfmal pro Woche trifft man sich zum Gebet. An einem Abend wird in einer gemeinsamen Runde im Wohnzimmer über reli­giöse und spirituelle Themen diskutiert. Im obersten Stock des Hauses beherbergt die WG eine indische Frau mit ihrem erwachsenen Sohn, im Parterre gibt es ein Notzimmer, in dem zuletzt ein afghanischer Flüchtling lebte.

Und im Flur, auf einen Türrahmen gestellt, steht Adams Kartonschild vom Klimastrei: «Fridays for Future». An diesem Dienstagabend kocht eine Mitbewohnerin «echte und falsche Kartoffeln», wobei sie mit letzteren Kohlrabi meint. Dazu gibt es Salat und hinterher Apfelkuchen. Man fragt, wie’s geht, und bespricht noch schnell den Ablauf der folgenden Taizé-Feier.

Danach begibt sich die Gruppe hinunter ins wenige Schritte entfernte Bethaus Wiedikon. Zwei weitere Teilnehmerinnen ge­sellen sich zu den WG-Bewohnern, alle zünden eine Kerze an, es wird gesungen, gebetet, ein Moment der Stille, bevor Adam als Organisator die Feier beendet. Anschliessend wollen sich die Bewohner des Stadtklosters im Wohnzimmer der WG zu einem spirituellen Austausch treffen, den Adam im Rahmen seines Pensums fürs Stadtkloster ­organisiert hat.

«Um ehrlich zu sein, fehlt mir manchmal einfach die Energie.» Tobias Adam

Auf dem Weg zurück zum Haus sagt er, dass ihm manchmal alles zu viel werde – leben, arbeiten und studieren, alles unter einem Dach, jenem des Stadtklosters. «Um ehrlich zu sein, fehlt mir manchmal einfach die Energie.» Im Frühling ­werde er, um sich etwas abzugrenzen, aus der Stadtkloster-WG ­aus- und mit seiner Freundin zusammenziehen, erzählt er.

Adams Leben wirkt rastlos – Studium, Kloster, Aktivismus, Kirchensynode, Politik. Demnächst diskutiert er an einem Podium über sein theologisches Vorbild Dorothée Sölle. Freunde be­wundern ihn dafür, was er alles anpackt. Die methodistische Pfarrerin Sarah Bach, die mit ihm in Karlsruhe war, führt das auch darauf zurück, dass Adam viel Kraft aus seiner Spiritualität schöpfe. Sie nennt ihn einen Gleichgesinnten mit derselben Leidenschaft wie sie; einen, der es «gecheckt» habe – sie meint die Klimakrise.

Adams Freund Jan Osusky wiederum, der von sich selbst sagt, «nichts mit Religion am Hut zu haben», meint, dass er ihm auch schon geraten habe, sich zu fokussieren. «Aber es scheint so, als habe er im Aktivismus seinen Weg gefunden.» Er bezeichnet Adam als einen sehr neugierigen und respektvollen Zuhörer, mit dem man auch über nicht-religiöse Themen ­sprechen könne.

Osusky erzählt, wie er Adam kürzlich nach der gemein­samen Yogastunde bei einer Tasse Kaffee gefragt habe, ob sie am Wochenende etwas zusammen machten. Nein, er sei unterwegs, habe Adam voller Heiterkeit gesagt. Ob er etwa nicht wisse, wo er sei? Osusky schüttelte den Kopf. Schliesslich verriet ihm Adam, dass er nach Lützerath fahre. In dem verlassenen Dorf in Nordrhein-Westfalen protestierte er mit Tausenden anderen Aktivisten, darunter Greta Thunberg, gegen den Abbau von Braunkohle.

Wieder zurück, meldet sich Adam per Telefon: «Das war sehr traurig. Am Horizont konnte man die Windräder sehen, die Zukunft. Doch vor Ort ist nur Vergangenheit.» Und doch: ­Tobias Adam war gerne in Lützerath. «Es war der wichtigste Ort, wo ich am Wochenende sein konnte», sagt er. Es klingt etwas schwer. Er hätte auch sagen können: Er mag die Gemeinschaft und das Gefühl, das Richtige zu tun.

Kaum Pfarrer an Klimademos

Einige Stunden nach dem Telefonat schickt Adam eine Sprachnachricht. Er habe sich nochmals Gedanken gemacht zur Frage, welchen Beitrag die Kirchen in der Klimakrise leisten könnten. Die Kirche sei ja nicht in erster Linie eine Institution, sondern eine Gemeinschaft von Menschen. Daher müssten sich mehr Christen aus ihrem Glauben heraus für den Kampf gegen den Klimawandel engagieren. «Derzeit kannst du Pfarrerinnen, die an Klimademos gehen, an einer Hand abzählen.»

Für Adam zählt jede Stimme, jedes Gebet, jedes Wort fürs Klima. Vielleicht, so seine Hoffnung, wird die soziale Bewegung irgendwann einen Kipppunkt erreichen, der tatsächlich Wandel bringt. Im letzten Satz seiner Bachelorarbeit schrieb er: «So hoffe ich, dass diese Arbeit dazu beiträgt, dass immer mehr Christ:innen sich von der Wut Gottes über die Klimakrise und ihre Ungerechtigkeiten anstecken lassen, beginnen zu handeln ( … ), um in dieser schier aussichtslosen Situation wirklich Veränderungen bringen zu können.»

Ein Stück Karton hat Adam auch in Lützerath in den Himmel gehalten. «Diese Wirtschaft tötet», stand darauf, ein Zitat von Papst Franziskus. Doch es regnete, sein Schild wurde ­pampig, die Schrift verblasste, und er warf es auf dem Heimweg weg.