Die Villa, in der Harald Glööckler wohnt, ist kompakt und proper wie ein Schatzkästchen. Doch wer diesen Mann wirklich verstehen will, muss wissen, wie sein Garten aussieht. Der Garten ist gross und in zwei Hälften unterteilt. Der Teil hinter dem Haus besteht aus einer wohlgenährten Rasenfläche, umkränzt von liebevoll gepflegten Rosenbeeten und alten Apfel- und Nussbäumen. Im hintersten Winkel, versteckt an der Mauer zum Nachbargarten, blüht eine Azalee. Hier hat sich einer ein Paradies erschaffen.
Die andere Hälfte liegt vor dem Haus. Auch sie ist üppig und von hohen Hecken umschlossen. Doch sonst hat die Natur hier nichts zu suchen. Der Vorgarten ist vollständig mit Kunststoffrasen ausgelegt. Und eng bevölkert von Statuen kecker Jünglinge, Engeln sowie einer Muttergottes. Die Unterwasserbeleuchtung eines auf exakt 34 Grad beheizten Freiluftpools wirft ihr Licht auf die Szenerie. Plastik und Lebenswärme, Nachbildung und Echtheit. Das sind nicht nur die Pole dieses Anwesens. Es sind die Extreme des Menschen Harald Glööckler, wie man ihn aus Fernsehen und Klatschmagazinen kennt. Genau: der Blitzlichtpromi mit den aufgespritzten Lippen. Und ja, auch der, der sich bei einer Aktion der deutschen Bibelgesellschaft gleich selbst auf den Schuber der Lutherbibel 2017 gesetzt hat. Der grelle Egozentriker mit dem schwäbischen Tonfall, der von einer evangelischen Gemeinde in Deutschland mit der Aufgabe betraut wurde, durch Zeugnis seines Glaubens Menschen zur Kirche zu ziehen, die aus freien Stücken nur wenig Zeit mit Gott verbringen. Der Narzisst mit den lackierten Fingernägeln, der vielleicht bald auch noch Kirchenfenster in Dresden gestalten soll. Der Sohn eines gewalttätigen Alkoholikers, der in seinem Leben ziemlich viel Grund gehabt hätte, vom Glauben abzufallen.
Mit Hund auf Bibelschuber
Bekannt wurde Harald Glööckler in den neunziger Jahren als Modeschöpfer. Allerdings nicht die windhundmageren Geschöpfe der Haute Couture trugen seine Kollektionen. Glööcklers Entwürfe waren fast immer gutmütig geräumig geschnitten und oft mit Glitzer ausgestattet. Beachtung fanden sie zunächst vor allem an gut patinierten Diven wie Gina Lollobrigida, Chaka Khan oder Brigitte Nielsen. Diese waren Glööcklers erste Musen und brachten ihm die Aufmerksamkeit der Unterhaltungspresse. Sie und seine immer krasseren Gesichtsstraffungen, Aufpolsterungen und Botoxexzesse, die ihn zu einem gefundenen Fressen für die Öffentlichkeit machten.
Jahrelang pries Glööckler seine preisgünstigen Kollektionen in einem deutschen Verkaufsfernsehsender an. Sein Slogan: «Jede Frau ist eine Prinzessin». Unter seinem Label «Pompöös» wurde vom Parfum bis zum Fertighaus seither wohl alles feilgeboten, was sich irgendwie mit dem Markenzeichen des goldenen Krönchens verzieren lässt. Es hat Glööckler, mit heute 52 Jahren, die finanzielle Unabhängigkeit gebracht.
Und so sitzt er nun im kleinen Salon seiner Schatzkästchenvilla, umgeben von brokatenen Tapeten und Selbstportraits. Die Haushälterin trägt selbstgebackenen Kuchen auf. Glööcklers fixiertes Gesicht ist auch jetzt praller, als von der Natur vorgesehen, und der pechschwarze Bart sieht aus wie aufgepinselt. Doch die Augen wirken anders als bei der letzten Begegnung im hektischen Berlin, wo er fünfzehn Jahre lang lebte. Seit zwei Jahren ist sein Zuhause in der pfälzischen Provinz, mitten im Dorf; der Kirchturm ist vom Garten aus zu sehen. Er scheint gesammelt und aufmerksam wie lange nicht mehr. Das sei kein falscher Eindruck, sagt er. Da, wo er in seinem Leben jetzt stehe, fühle er sich befreit. «Ich glaube, es war auch Gottes Fügung, dass ich hierher musste.» Das Südliche liege ihm, die Grosszügigkeit der Pfälzer. «Die sind ein ausgeglichenes Völkchen, denen geht es gut. Die sind nicht futterneidisch.» Das wird ihm mit den Jahren wichtiger. Er mag nicht mehr ständig um Anerkennung kämpfen. Und er benötigt immer mehr Ruhe für seine wohl von Natur aus aufgeregten Nerven. Eine Eigenschaft, die ihn in Berlin oft an seine Grenzen brachte.
2016 fragte die deutsche Bibelgesellschaft Harald Glööckler an, ob er Lust habe, als einer von zwölf Prominenten für die anlässlich des Reformationsjubiläums neu überarbeitete Lutherbibel einen Schmuckschuber zu gestalten. Glööckler schickte seinen Entwurf. «Da passierte erstmal gar nichts.» Der Vorschlag sei zu extrem gewesen, mutmasste er.
Die evangelische Kirche beschied Harald Glööckler, es sei nicht angedacht, dass eine Person sich selber auf den Bibelschuber stellt. Aber irgendwie fanden sie es in seinem Fall passend.
Eine Computercollage, auf der er zusammen mit seinem Hund in einem Paradiesgarten steht. Nach fünf Wochen dann die Antwort. Glööckler kichert. «Man habe mit der evangelischen Kirche gesprochen. Es sei ja nicht angedacht, dass eine Person sich so selber auf den Schmuckschuber stellt, und auch noch mitsamt Hund. Aber irgendwie fänden sie es in meinem Fall passend.»
Scham für das eigene Fleisch
Aufgewachsen ist Harald Glööckler, damals noch mit einem ö, in Baden-Württemberg. Erzogen wurde er evangelisch. Die Kirche war dieses schattige Gebäude, das ausserhalb der Gottesdienste immer verschlossen blieb und wo innen quälende Dinge zu sehen waren. «Ich habe mich gefragt, warum man Jesus immer am Kreuz darstellen muss. Das ist doch furchtbar! Wieso nicht segnend? Wieso muss da immer das Kreuz hängen? Man hängt doch auch zuhause kein Bild auf von einem Verwandten, der erschossen worden ist und im Blut liegt!»
Grausamkeit sah Glööckler daheim viel. Der Vater, Wirt des Gasthauses am Ort, misshandelte die Mutter. Als Harald Glööckler dreizehn war, soll die Mutter nach einem Streit mit dem Vater eine Treppe hinuntergestürzt und kurz danach an den Verletzungen gestorben sein. Das erzählte Glööckler früher einige Male in Interviews. Heute möchte er dazu nichts mehr sagen. «Ich hasste ihn so sehr, dass ich ihm den Tod wünschte», heisst es in Glööcklers Buch Der Modeprinz von 2001. «Kein Wort würde ich mehr mit ihm wechseln. Ein eisiges Schweigen sollte über uns liegen, bis dass der Tod uns scheidet.»
Mit sechzehn zog Glööckler in eine benachbarte Kleinstadt und machte eine Lehre als Modeverkäufer. Aus den folgenden Jahren gibt es viele Fotos, auf denen ein pausbäckiger, noch ganz naturbelassener junger Mann mit engen Hosen und glitzerndem Divenschmuck wohl den Grundstein zu dem legte, was man heute als Bild von ihm kennt. Ein Teenager mit Lust am Verkleiden. Samt existenziellem Drang, seine Umgebung nach seinem Geschmack zu formen. Und zwar so, dass nur das darin Platz hat, was er auch hereingebeten hat.
«Natürlich hat es mir am Anfang zu schaffen gemacht, wenn man mir auf der Strasse ‹Schwule Sau› nachgeschrien hat», sagt er. Doch es hat ihn nicht gestoppt. Was die Person Harald Glööckler geformt haben dürfte, ist einerseits wohl das, wofür er sich schämte. Und andererseits das, wofür er sich nicht schämte. Er schämte sich nie dafür, dass er sich nun mal als Paradiesvogel am besten gefiel. Er schämte sich auch nicht dafür, dass er sich immer schon zu Männern hingezogen fühlte. «Das war mir schon mit sechs Jahren klar, und ich dachte, na ja, dann ist das so.» Das, wofür sich Harald Glööckler schämte, war viel schlimmer. Er schämte sich für sein eigenes Fleisch. Die Gene, die ihn mit seinem Vater verbanden. «Ich schämte mich, von einem Menschen wie ihm gezeugt worden zu sein, und hätte es eine Chance der Natur gegeben, diesen Vorgang wieder rückgängig zu machen, ich hätte sie ergriffen», heisst es in Der Modeprinz. Die Eingriffe an seinem Gesicht fingen an, als die glatte Jugendlichkeit nachzulassen drohte. Doch es ging wohl nicht nur um die Falten selbst. Es ging auch darum, dass Glööckler nicht eines Morgens in den Spiegel gucken und dort seinen Vater sehen wollte. Das hatte er in einer Fernsehtalkshow gesagt. Die hämischen Kommentare im Internet kümmern ihn nicht. «Dass die Leute das nicht verstehen, ist egal. Es ist mein Leben.» Was ihn in Rage bringt, ist die Selbstgefälligkeit dahinter. Die Wohlanständigen, die sich lieber die Mäuler zerreissen, als hinter die Fassade zu schauen. Ihren Dünkel hat er schon als Kind kennengelernt. «Die hat es nicht interessiert, ob mein Vater meine Mutter schlägt und totschlägt. Die Kirche hat zugeschaut, die Gesellschaft hat zugeschaut. Die haben jedes Recht verwirkt, über mich zu urteilen. Alle! Das war meine Meinung!
Zusammenbruch und Auferstehung
Die alte Holztreppe im Haus knarrt, Glööcklers schwarzweisser Zwergspaniel Billy King gibt heiser Laut. «Ah, der Herr Schroth», sagt Glööckler. So nennt er vor Besuchern seinen Lebensgefährten Dieter Schroth. Seit dreissig Jahren leben die beiden zusammen. Schroth ist ein weisshaariger, massiver Mann mit felsernem Realitätssinn und sanftem Herzen, ein paar Jahre älter als Glööckler. In seinem ersten Leben war Schroth Profifussballer, Familienvater und später Textilkaufmann. Dann kam die Scheidung mitsamt Verlust des Vermögens sowie das Eingeständnis gegenüber sich selbst, schwul zu sein – und damit der Zusammenbruch.
In einer Diskothek in Mannheim traf er Harald, damals Verkäufer in einem Modehaus. Der Blitz schlug ein. Doch Schroth scheute. «Ich hatte so viele Probleme, die Scheidung, Depressionen, ich war keine gute Partie.» Glööckler fühlte sich zu dem höflichen, freundlichen Mann, der in jeder Hinsicht das Gegenteil seines Vaters war, hingezogen. Er überzeugte ihn, einen gemeinsamen Weg einzuschlagen.
Nahm die sonntägliche Predigt kein Ende, begann Klein Harald in Gedanken den Kirchenraum umzudekorieren oder dem Chor modischere Gewänder zu verpassen.
Die beiden lebten in einer Art Patchworkfamilie: Am Wochenende kamen Schroths Töchter, die vom Freund ihres Vaters begeistert waren. Glööckler, mit der Disziplin und dem Ordnungssinn einer schwäbischen Hausfrau ausgestattet, passte auf, dass die Kinder sich ordentlich die Zähne putzten, bevor sie schlafen gingen.
Gemeinsam betrieben die beiden Männer eine Jeans-Boutique in Stuttgart. 1990 gründeten sie ihre eigene Modemarke. Zur Jahrtausendwende zog die Firma nach Berlin, um dort den Sprung an den deutschen Modehimmel zu schaffen. Das Problem: Mit Opulenz wusste die schroffe Hauptstadt noch nie etwas anzufangen. Zwar brachten es die beiden zu einer Boutique an der berühmten Friedrichstrasse und zu einem Penthouse mit Blick aufs Brandenburger Tor. Auch die Boulevardpresse liebte Glööckler – doch die ersehnte Anerkennung in der Modewelt blieb aus. Als er und Schroth sich gerade entschieden hatten, im benachbarten, edleren Potsdam ein Grundstück zu kaufen und dort einen Landsitz zu bauen, entdeckte Harald Glööckler bei einem nächtlichen Zug durchs Internet die Villa an der Weinstrasse, nicht weit von da, wo Dieter Schroths Töchter leben. Der Abschied aus Preussen war besiegelt, die zweite Karriere von Harald Glööckler begann.
Mit Gottvertrauen überlebt
Lange hat er sich von der Kirche ferngehalten. Christlicher Glaube, das war für ihn die Kargheit einer Schuld, die seiner barocken Seele einfach nicht schmeckte. «Dieser Jesus, der für einen gestorben ist und wo man furchtbar dankbar sein muss, der ging nicht an mich. Ich hatte niemanden gebeten, dass man für mich einen Mann für zweitausend Jahre ans Kreuz nagelt, für meine Sünden. Dieses Schlechtes-Gewissen-Machen, das war nicht mein Ding.» Stattdessen beschäftigte Glööckler sich mit Buddhismus und besuchte Wahrsagerinnen. «Doch kurz nach meinem dreissigsten Geburtstag kam Jesus irgendwann mal auf mich zu und sagte: ‹Mach es mir nicht zum Vorwurf, dass ich so dargestellt werde. Das ist auch nicht mein Wille. Ich hab nicht gesagt, die sollen mich an das Kreuz da ranhängen.› Und dann war da plötzlich so eine Wärme, dann hab ich Zugang bekommen.» Jetzt spricht Glööckler wie ein Freikirchen-Pastor von seinem Bekehrungserlebnis. «Jesus hat eine wahnsinnige Energie. Die strahlt aus dem Herzen, da kommt eine Power, die sofort alles reinigt und erstrahlen lässt.» Glööckler unterhält sich mit Jesus ganz zwanglos. «Ich wusste immer, mit ihm kann man über alles sprechen. Mit dem kann man auch darüber sprechen, ob man rote Schuhe anziehen soll oder nicht. Warum auch nicht? Soll ich nur mit ihm reden, wenn ich Probleme habe?»
Als Motto für seinen Bibelschuber hat Glööckler ein Bibelwort aus dem Matthäusevangelium gewählt: «Du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast.» Die Fülle war immer ein Thema für ihn. Dass für ihn gesorgt wird, auch in unsicheren Zeiten, von denen es in all den Jahren ziemlich viele gab. «Wir glauben zu Unrecht, dass wir auf uns alleine gestellt sind und um alles kämpfen müssen. Dem ist aber nicht so: Wer glaubt, bekommt. Immer wieder. Gott ist Reichtum, der Glaube ist Reichtum.» In Zukunft möchte er zunehmend als Redner und Motivationssprecher auftreten, sagt Glööckler. Wie genau das gehen soll, ist ihm noch nicht ganz klar. Doch irgendwas wird sich schon ergeben. Grundvertrauen, auch Gottvertrauen, hatte er schon immer, sagt er. Dadurch hat er überhaupt erst überlebt.
«Trägt Jesus rote Schuhe von Prada?» war der Titel der ersten Predigt von Harald Glööckler. 2017 war er von der Evangelischen Andreasgemeinde im hessischen Niederhöchstadt angefragt worden, ob er im Rahmen einer speziellen Gottesdienstreihe über seinen Glauben sprechen wolle – in einem Multiplex-Kinosaal und zusammen mit Popmusikern und einem leicht bekleidet tanzenden Sänger. «Die Idee ist, einen Gottesdienst für Menschen anzubieten, die mit Gott, Glaube und Gemeinde sonst nicht viel am Hut haben», schreibt der Veranstalter. Dieser, ein 1958 in Lausanne geborener Deutscher namens Klaus Douglass, ist heute als Persönlichkeitstrainer und Vortragsredner unterwegs. In den neunziger Jahren predigte er als Gemeindepfarrer in der Frankfurter Agglomerationsgemeinde – wie viele Kollegen vor halbleeren Kirchenbänken. Beeindruckt von einer vitalen evangelikalen Gemeinde, die er in Chicago kennengelernt hatte, ersann Douglass das für Deutschland neuartige Gottesdienstkonzept mit den Showelementen. «Wir glauben, dass diese Menschen eine tiefe Sehnsucht nach Gott haben, auch wenn ihnen das nicht bewusst ist. Diese Sehnsucht versuchen wir behutsam freizulegen, indem wir uns in diesen Gottesdiensten und auch sonst in der Gemeinde radikal auf die Kultur der Menschen in unserem Umfeld einlassen.» Oft sei es nämlich die «ihnen fremde kirchliche Kultur», die die Menschen daran hindert, einen konventionellen Gottesdienst zu besuchen, schreibt Douglass. Das passt perfekt zu Glööckler. Der hatte als Kind, wenn die sonntägliche Predigt gar nicht enden wollte, in Gedanken den Kirchenraum umdekoriert und dem Chor modischere Gewänder verpasst. Zur ersten Glööckler-Predigt kamen um die fünfhundert Leute. Das Publikum, das keinen Sitz mehr fand, drängelte in den Gängen.
Schreckensgestalt für manchen Protestanten
Harald Glööckler steht der Kirche bis heute kritisch gegenüber. Und das beruht durchaus auf Gegenseitigkeit: Für manchen Protestanten dürfte Glööckler mit seiner rasend assoziierenden, unorthodoxen Spiritualität, den manchmal flapsigen theologischen Thesen und der exzessiven Selbststilisierung eher eine Schreckensgestalt sein. Glööckler ist das herzlich egal.
«Wir brauchen keine Kirche, die uns verurteilt und bevormundet. Wir brauchen eine Kirche, die uns stützt, wenn wir wanken. Die uns aufhebt, wenn wir gefallen sind. Die uns zu essen gibt, wenn wir hungrig sind, und die uns tröstet, wenn wir traurig sind. Alles andere brauchen wir nicht. Für meinen Glauben brauche ich keinen Dolmetscher. Wir haben einen direkten Draht zu Gott.» Und doch bedeutet ihm die Anerkennung der Institution mehr, als er gerne zugibt. Er sei «ein besonderer Botschafter des Evangeliums von Gottes Liebe und seiner Gnade und Grosszügigkeit», schrieb ihm ein Vertreter der deutschen Bibelgesellschaft nach der Präsentation seines Bibelschubers. Glööckler lässt es sich nicht nehmen, das Loblied eigenhändig aus seinem Büro hervorzukramen und vollständig vorzulesen. «Also die meinen es ernst, die Engel und die Mutter Gottes, die haben jetzt ihre Kavallerie angeschoben.» Und vor kurzem hat sogar eine katholische Pfarrei angefragt, ob er nicht auch mal für sie predigen will.
Der mit den Bäumen spricht
Es wird Abend in der Pfalz. Herr Schroth sitzt auf einer Bank mit Blick auf den Pool im Schatten. Billy King kläfft in unregelmässigen Abständen, als gälte es, Feinde abzuwehren. Die Haushälterin wuselt im Hintergrund. Die Holzdielen knarren. Jeden Morgen um sechs Uhr setzt sich Glööckler in den hinteren Teil seines Gartens und meditiert. «Ich frage meinen Baum: ‹Was meinst, ich will heut das und das machen, ist das gut oder soll ich das lieber lassen, weil das eine kleine Geschichte ist und vielleicht nicht so erfolgreich?› Da sagt der grosse Walnussbaum zu mir: ‹Guck mich an, mach ich mir Gedanken, ob der eine Ast da oben verkräppelt ist, ob der klein ist, ob der gross ist? Ich strebe nach oben, ich wachse in alle Richtungen, und am Ende bin ich deshalb so ein grosser Baum, weil auch die kleinen Zweige dran sind.› Also hab ich meine Antwort bekommen.»
Für viele Menschen liegen Weisheit und spirituelle Reife am Ende eines langen Weges. Harald Glööckler tänzelt dafür vom Plastikrasen über den Echtrasen zu seinem alten, weisen Nussbaum – und wieder zurück. Seine Welt muss man nicht schätzen. Doch es ist möglich, sie zu verstehen. Es mag dabei helfen, wenn man weiss, wie es in seinem Garten aussieht.
Der Illustrator Jannis Pätzold lebt in Berlin.
Susann Sitzler ist in Basel aufgewachsen und lebt seit 1996 in Berlin. Harald Glööckler kennt sie aus einem halben Dutzend persönlichen Begegnungen.