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Freitag, 09. Dezember 2022

Was er nicht alles tut, damit es am Ägerisee weihnachtlich leuchtet: Jahr für Jahr verlegt Manfred Schön Kabel, bastelt Rampen aus Drähten für fliegende Rentiere, steigt auf Leitern und setzt Heringe, um Samichläuse an der Hauswand zu montieren oder im Boden zu verankern. 120 Stunden Arbeit für den Aufbau und nochmals 50 Stunden für den Abbau.

Und weil es so schön ist, baut der 62jährige seine ­Weihnachtsbeleuchtung jedes Jahr etwas aus. Nun habe er das Okay vom Bauern, der das Land nebenan pachtet, sagt Schön und zeigt auf das Gelände neben seinem Haus ausserhalb ­von ­Morgarten im Kanton Zug. Nächstes Jahr werde er mit sei­nem Hund hochsteigen und zusätzlich den steilen Hang ­schmü­cken. Dann sollen noch mehr als die bisher rund 13 000 ­Lämpchen leuchten.

Für gewöhnlich lässt Manfred Schön 13 000 Lämpchen leuchten. Bild: ZVG

Für kommende Weihnachten jedoch entschuldigt ein Stoff-Chlaus unten an der Strasse für die «schmale Version» der Beleuchtung, so steht es auf dem Schild um seinen Hals. Leuchtschlangen, Sterne und Schlitten ziehende Rentiere bleiben dieses Jahr im Lager liegen.

Inmitten der Energiekrise, den Aufrufen zum Stromsparen überall, entschied sich Schön, eine Pause zu machen. «Es tut weh», sagte er gegenüber dem Lokalsender Tele M1. «Aber die ­Vernunft muss siegen.»

Wohnt hier das Christkind?

Viele freuen sich über die Lichter, die seit sieben Jahren im­mer in der Adventszeit das Haus von Manfred Schön und seiner Frau Marianne schmücken. Leute von der anderen Seeseite wür­den ihn ansprechen, da die Beleuchtung von weit her zu sehen sei. «Einmal fragte ein Mädchen, ob hier das Christkind lebt», ­erzählt er. «Das war für mich das schönste.» Zur Eröff­nung la­de er jeweils die Nachbarn von der Strasse auf ein Wienerli draus­sen und einen Appenzeller drinnen ein. «Ich mache das vor ­allem für die anderen», sagt Manfred Schön über seine ­Weihnachts­beleuchtung. «Alle finden’s lässig.»

Doch Schön ist nicht entgangen, dass es auch Leute gibt, die sich hinter vorgehaltener Hand über ihn auslassen. Schon als ­­er vor einigen Jahren bei einem Weihnachtswettbewerb der ­Zeitung «Blick» mitmachte, wurde er in der Kommentarspalte als Spinner und Stromvergeuder bezeichnet. Auch hätten schon Spaziergänger dermassen lautstark ihren Unmut geäussert, dass er sie von oben im Haus hören konnte.

Schön sagt, dass er sich nicht gross darum schere, was die anderen denken. Diese Leute wüssten ja nicht, dass er und seine Frau nie in die Karibik oder nach Thailand fliegen für den Urlaub. Einfach, weil es ihnen in der Schweiz am besten gefällt. Sie hätten ein sparsames Auto und bräuchten wenig Strom, ­ergänzt er.

Ganz kalt liess ihn die Kritik aber offensichtlich nicht. Schön kaufte einen Stromzähler, um seinen Verbrauch zu überprüfen. Er kam zum Ergebnis, dass seine Weihnachtsbeleuchtung pro Tag rund acht Kilowattstunden benötigt. So viel verbrauchen zwei Personen täglich in einer Mietwohnung. Ein Tesla kommt damit 43 Kilometer weit. Schön hat errechnet, dass seine Weihnachtsbeleuchtung über die ganzen sechs Wochen gerade einmal 100 Franken kostet. Er machte weiter – bis die Energiekrise kam.

Manfred Schön sitzt zusammen mit seiner Frau Marianne am Esstisch bei Kaffee und Guetsli mit freiem Blick auf den Ägerisee, die drei Hunde tigern auf der Terrasse umher, einige ihrer zehn Katzen schauen vorbei. Das Paar hat zwei Kinder, beide erwachsen und längst ausgezogen. Nach Morgarten sind die ­beiden vor acht Jahren gekommen, davor hatte das Haus als ­Feriendomizil von Marianne Schöns Vater gedient.

Der «Blick» nannte Schön wegen dessen spektakulärer Beleuchtung einen der «grössten Weihnachtsfans» der Schweiz. Dabei hat Schön gar nicht unbedingt ein spezielles Verhältnis zu Weihnachten, wie er sagt. Gefeiert werde im kleinen Rahmen mit Wichteln und gutem Essen, das sei auch in der Kindheit schon so gewesen. Aber die Symbole, die Lichter, die gefielen ihm. Nur zu grell und zu farbig dürfe es nicht sein, aus diesem Grund beleuchte er ausschliesslich mit warmweissem Licht. Während er das sagt, spielt im Radio Weihnachtsmusik.

Manfred Schön verzichtet, weil er fürchtet, jemand könnte von unten an der Strasse, wo es ganz dunkel ist, unbemerkt die Drähte durchschneiden.

Manfred Schön ist beruflich selbständig, er ist Inhaber einer Transportfirma mit 17 Angestellten. Da er aber das Tagesgeschäft je länger, je mehr an seinen Sohn übergibt, hat er immer häufiger Zeit, um auch mal tagsüber draussen zu werkeln. «Ich bin gerne an der frischen Luft, wenn es kalt ist. Die Hunde nehme ich mit.» Und mit Strom kann er es gut. Manfred Schön hat ursprünglich Elektromechaniker gelernt.

Marianne Schön hat mit der Beleuchtung nicht viel zu tun. «Das ist sein Ding.» Aber ob es ihr gefalle? Da muss sie lan­ge überlegen. Ihr Mann sei jemand, der sich immer mal wieder ­verändere, etwas Neues anpacken müsse. Die Beleuchtung sei sein grosses Hobby, und da mische sie sich nicht ein. Ausser als sie ihm gesagt hat, er solle die Lichter nicht schon vor dem 1. Advent anmachen. Aber doch, ja, sagt Marianne Schön nach ­einigem Zögern, sie finde schon gut, wie ihr Mann das mache.

Nun macht der Weihnachtsfan also Pause. Manfred Schön pausiert mit seinem Hobby allerdings nicht, um Strom zu sparen. Er zweifelt gar an, ob es wirklich an Energie mangle. «Die Gasspeicher zum Beispiel, die sind doch voll.» Vielleicht sei die Energiekrise ja nur eine Ausrede, um die Preise in die Höhe zu treiben, spekuliert er und fügt an, das sei seine ganz persönliche ­Meinung.

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Manfred Schön verzichtet, weil er fürchtet, jemand könnte von unten an der Strasse, wo es ganz dunkel ist, unbemerkt die Drähte durchschneiden. Ob es denn irgendwelche Anhalts­punkte für Sabotage gebe? Nicht direkt, aber man lese es doch überall, sagt Schön. Als Beispiel nennt er Umwelt-Aktivisten, die in Deutschland mit Lastwagen umhergefahren sind und Pneus von SUVs aufgeschlitzt haben. «Und was in Deutschland ­passiert, kommt irgendwann auch hierher», ist er überzeugt.

Die Zeichen der Zeit deuten

Schön, der das Weltgeschehen auf dem Handy über soziale Netzwerke verfolgt, sorgt sich, zweifelt, versucht, die Zeichen der Zeit zu deuten. Mit dem Krieg in der Ukraine sei ihm klar geworden, wie wichtig Selbstversorgung sei. Deshalb, und weil Behörden bei Solarprojekten gerade so unkompliziert sind, reichte er im März ein Baugesuch für eine Photovoltaik-Anlage auf dem Hausdach ein. Ein 18-Kilowattstunden-Speicher soll es werden; die Schöns brauchen etwa 14, den Rest wollen sie ins Netz einspeisen. Drei Wochen später kam die Bewilligung, gebaut werden soll nächstes Jahr. «So etwas finde ich wirklich sinnvoll, und es ist natürlich», sagt Manfred Schön.

Der Samichlaus unten an der Strasse entschuldigt sich nicht nur für die spärliche Beleuchtung. Auf dem Schild um seinen Hals steht ausserdem: «Im nächsten Jahr wird unser Haus wieder die volle Dekoration bekommen.» Und zwar betrieben mit Solarstrom. Manfred Schön sagt, dass er so kein schlechtes ­Gewissen haben muss.