Darf man sich als Christenmensch darüber freuen, wenn Vermögende empfindliche finanzielle Einbussen erleiden müssen – etwa nach einem Banken-Crash? Für eine Rechtfertigung solcher Schadenfreude finden sich in der Bibel jedenfalls genügend Stellen. Jesus predigt: «Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt.» Und er stellt klar, dass man entweder Gott oder dem Mammon dienen könne. Beides gehe nicht. Der Mammon wird fortan mit dem Adjektiv «schnöde» versehen, wird zum Dämon stilisiert, der von seinem Besitzer Besitz ergreift, Habgier und Geiz weckt.
Doch diese Verdammung der «Wurzel allen Übels» und die damit einhergehende Veredelung der Armut hat auch ihre Schattenseiten. Wer sich solch goldene Worte ausdenkt wie «Armut schändet nicht», dem fehlt es in der Regel an nichts. Und dass eine immer prunksüchtigere Institution wie der mittelalterliche Vatikan in Rom die Hungrigen auf das Jenseits vertröstete, wäre allein schon ein Grund für eine Reformation gewesen.
Aber auch die Protestanten trieben es mit ihrem biblischen Affekt gegen die Anhäufung von Kapital ziemlich weit. Dabei machten sie sich mitschuldig an der grössten Menschheitskatastrophe, die die Christenheit zu verantworten hat: die Verfolgung der Juden. Bis heute ist das Grundmuster antisemitischen Denkens, Juden hätten stets nur ihre persönliche Profitsucht im Sinn, noch nicht aus der Welt. Judas, so lautet das fatale Narrativ, habe schliesslich für 30 Silberlinge, den Preis eines Esels, unseren Herrn an seine Häscher verraten.
Im mittelalterlichen Zerrbild des Wucherers, der mit seinen überhöhten Zinsen den braven christlichen Schuldner ins Elend treibt, wird dieses Motiv fortgeführt. Und es ploppt wieder auf in den gegenwärtigen Verschwörungstheorien, wonach die «neuen Rothschilds» an den Börsen auf Teufel komm raus die Welt verzocken. Bei so viel Aversion grenzt es schon an ein kleines Wunder, dass ausgerechnet das reformierte Zürich global gesehen zu einem der wichtigsten Bankenplätze werden konnte.
Wie auch immer: Die wohltätigen Segnungen für die Menschheit gingen jedenfalls nie von den verarmten Massen aus, wie es sich die Marxisten ausmalten. Es sind inzwischen die superreichen Milliardäre, die den ökologischen Wandel und den technologischen Fortschritt in der Medizin und der Armutsbekämpfung vorantreiben. Sie haben die Mittel. Wer reich ist, kann sich nun mal eher einen Altruismus leisten. Und manch gute Tat entsprang einem schlechten Gewissen …