Geht es nach Lebensratgebern, ist das Glück günstig zu haben – nämlich zum Preis eines einzigen Buchs. Schon in den Titeln wird uns in Aussicht gestellt, wie wir «Zehnmal glücklicher» werden, «In 30 Tagen zum Glück» finden oder «Die drei Quellen des Lebensglücks» entdecken. In den Klappentexten wird dann nachgedoppelt: Das Leben ist einfach, wenn Sie diese fünf Punkte verfolgen, die Autorin ist ein inspirierender Leuchtturm für uns alle, die Lektüre wird dein Leben verändern.
Auch für alle Probleme des Lebens gibt es die passende Lösung in Buchform. Wer eine Beziehungskrise hat, kauft «Lieben lernen». Wer die Arbeit satt hat, greift zu «Die 4-Stunden-Woche». Und wer viel um die Ohren hat, versucht es mit «Stress positiv nutzen». Das Geschäft mit den grossen Versprechen ist ein gutes: Jedes sechste in der Schweiz verkaufte Buch beschäftigt sich mit Lebenshilfe. Damit sind Ratgeber mit Abstand die Top-Seller unter den Sachbüchern.
Im besten Fall regt die Lektüre zum Denken an oder motiviert, einen mutigen Schritt zu tun. Im schlechtesten Fall bietet sie nicht mehr als Merksätze, die auch aus einem Glückskeks stammen könnten.
Der Autor Rolf Dobelli hat einmal über Lebensratgeber geschrieben, dass sie allesamt nutzlos seien, weil sie von Menschen verfasst wurden, die bereits glücklich sind. Natürlich weiss aber auch er, dass gut vorgetragene Gedanken anderer Menschen durchaus motivierend sein können – schliesslich schreibt er ja selbst Ratgeber. Der Kern an der Kritik jedoch ist wahr: Viele Ratgeber gaukeln einen direkten Weg zum Glück vor, den es schlicht nicht gibt. Bei den folgenden zehn mehr oder weniger beliebig ausgewählten Lebenstipps sollten Sie also skeptisch bleiben.
Sei du selbst
Ratschlag:
«Wenn du bei dir ankommst, dann öffnen sich Türen plötzlich von selbst.»
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Janice Jakait (2019): «Finde dich selbst»
Der Klassiker: «Wer bin ich wirklich?» heisst es im Klappentext von Janice Jakaits Buch.
Während wir vielleicht ab und zu an der Bushaltestelle über dieser Frage grübelten, stieg die Autorin in Portugal in ein kleines Ruderboot und ruderte 6500 Kilometer weit über den Atlantik – alleine. «Ich wollte weg von allem», erklärt sie. Und später: «Diese Unternehmung war nun wirklich reichlich unvernünftig.» Um dann am Ende doch festzustellen: «Diese Erfahrung öffnete mir eine Tür in ein anderes Leben – zurück zu meinem Kern, zu meinen wirklichen Bedürfnissen, zu meinen Gefühlen.» Es folgt die Erkenntnis: «Man kann eben nicht weg von sich selbst.»
Die Frage stellt sich, inwiefern der in der Tat beeindruckende Trip selbst es war, welcher der Autorin zum neuen Glück verhalf. Oder ob vielmehr der dadurch erzielte Erfolg ihr jene Bestätigung einbrachte, die ihr bislang gefehlt hatte. Schliesslich räumt die Autorin ein: «Nun hatte ich mal endlich ein Ziel erreicht, über das es sich auch lohnte, ein Buch zu schreiben. Je mehr ich bei mir selbst ankam, desto mehr Türen öffneten sich plötzlich von selbst.» Ihr Buch über den Trip wurde ein Bestseller, Medien interessierten sich für sie, sie sprach auf Podien und las in vollbesetzten Sälen. Lebensträume hätten sich im Lawinentempo erfüllt, schreibt sie.
Zusammengefasst: Janice Jakait fand zu sich selbst (und übrigens auch zu Gott), weil sie alleine über den Atlantik gerudert war. Dadurch fand sie heraus, wer sie wirklich ist: eine erfolgreiche Ratgeber-Autorin! Was heisst das für all jene, die noch auf der Suche sind? Da die Alleine-übers-Meer-Idee nun schon abgegrast ist, denken Sie weiter. Klettern Sie barfuss aufs Matterhorn, laufen Sie einen Marathon rückwärts oder fahren Sie in einem Pedalo durch den Ärmelkanal. Man wird Ihre beeindruckende Leistung würdigen. Und das wird Ihnen guttun.
Sei genial
Ratschlag:
«Wenn jemand zu dir sagt, dass du einfach bloss ein genialer Mensch bist, dann solltest du immer innerlich antworten: ‹Danke, ich weiss.›»
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Gabriel Palacios (2022): «Du bist mehr als nur gut genug»
Ist es wirklich so einfach? Gemäss dem Berner Hypnosetherapeuten Gabriel Palacios eindeutig: Ja! Die Kernaussage seines 124-Seiten-Bestsellers lautet sinngemäss: Du bist genial, du musst es nur glauben!
Dass er weiss, was uns guttut, macht der Autor von Anfang an klar. Wir müssen ihm nur sehr genau zuhören. «Lies dieses Buch bitte sehr achtsam durch.» Weil: «In manchen Kapiteln wirst du in nur wenigen Sätzen sehr viele Einsichten finden.» Übersetzt: Das alles ist hochgradig klug. Konzentrier dich, bis du es checkst!
Dass arrogant oder gar narzisstisch wirken könnte, wer sich schlicht genial findet, weiss natürlich auch Palacios. Solcherlei Bedenken wischt er jedoch mit einem Metagedanken beiseite: «Bloss weil du dich genial findest, sind doch andere nicht nicht genial.» Das stimmt natürlich. Wären wir aber tatsächlich alle Genies, dann wäre das ganz normal. Und damit per Definition nicht mehr genial.
Schon vom Buchcover aus blickt der Hypnosetherapeut seine Leserinnen an, als würde er Bescheid wissen über ihre dunkelsten Geheimnisse. Gewissermassen stimmt das ja auch, denn Palacios kennt tatsächlich eine sehr persönliche Eigenschaft all jener, die für sein Buch 20 Franken über die Ladentheke schieben. Denn wer kauft sich einen Ratgeber mit dem Titel «Du bist mehr als nur gut genug»? Genau, Menschen, die denken, sie seien nicht gut genug.
Sei der Pilot deines Lebens
Ratschlag:
«Übernimm Verantwortung für dein Leben.»
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Anna Maier (2021): «Sei du der Pilot deines Lebens»
Die aus dem Fernsehen bekannte ehemalige Moderatorin Anna Maier bedient sich des vielleicht beliebtesten Tricks des Ratgeber-Handwerks: die eigenen Erfahrungen zu verallgemeinern. Sie wolle keine Ratgeberin sein, schreibt sie eingangs: «Was für mich der richtige Weg ist, das muss für dich nicht ebenso stimmen.» Vielmehr wolle sie ein Vorbild sein. «Eine Inspiration, als Pilotin im Cockpit deines Lebens Platz zu nehmen und abzuheben».
Dennoch hält sich Maier in der Folge mit gut gemeinten Ratschlägen nicht zurück. Kapitel, in denen es um persönliche Erlebnisse geht, werden durch markige Du-Zwischentitel verallgemeinert. «Lass deine Träume Teil deines Lebens werden» heisst ein Kapitel, in dem die Autorin, die schon als Kind vom Fliegen träumte, ihren Ehemann, einen Captain, kennenlernte. Die drei Seiten, in denen sie für die Helikoptertheorieprüfung lernt, werden übertitelt mit «Verzweifle nicht, wenn der Weg steinig wird». Und die Passage, als sie nach einem schweren Unfall mit einem Hangartor keine Flugstunden mehr nehmen kann: «Akzeptiere, was du nicht ändern kannst.»
Das ist alles lesenswert und wäre es noch viel mehr, wenn es beim Autobiografischen bleiben würde. Doch am Ende geht es eben doch vor allem um Lebenstipps. «Übernimm Verantwortung für dein Leben», schreibt Maier und macht ein Beispiel: «Es ist nicht die Schuld der Kollegin, dass sie den spannenderen Job hat und obendrein noch mehr verdient. Es ist nicht der Fehler deines Kollegen, wenn er einen Auftrag kriegt und du nicht, offenbar hatte er die bessere Idee zum richtigen Zeitpunkt.»
Das tönt nur auf den ersten Blick logisch. Denn es gibt tatsächlich Menschen, die einfach Pech haben im Leben oder schlechte Startbedingungen. Es ist auch selten die Schuld der Putzkraft, dass sie viermal weniger verdient als der Kollege aus dem Backoffice der Bank. Und vielleicht hatte der Kollege, der den Auftrag gekriegt hat, gar nicht die beste Idee. Sondern spielt mit dem Chef regelmässig Golf.
Sei ein König
Ratschlag:
«Gründe dein Königreich.»
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Isa Ulubaev (2022): «Wenn du sein willst, hör auf zu werden»
«Ich will einfach, dass du eine Sache begreifst», schreibt Isa Ulubaev. «Auf diesem Planeten gibt es Diener und Könige. Diener hoffen, Könige erobern. Solange du noch in deiner Hoffnung gefangen bist, wirst du weiterhin in dem armseligen Modus eines Dieners bleiben.»
Isa Ulubaev ist Influencer, er dreht Youtube-Videos und bespielt die sozialen Medien. Wer dem grimmig dreinblickenden Mann mit Glatze und Bart bei Youtube zuschaut, ist zuweilen froh, dass er einem bei solchen Aussagen nicht live gegenübersitzt. Er und seine Fans – wohl ausschliesslich jüngere Männer – nennen einander «Champs».
Wie also ein Königreich gründen? Gemäss Ulubaev brauchen Sie das richtige «Mindset», mit dem Sie Ihre Zweifel beseitigen. Wir sind hier also wieder bei der Hypnosemethode: Wenn Sie denken, Sie sind ein König, dann sind Sie es auch. Falls Sie einen Typen sehen, der «besser drauf ist» als Sie, führt Ulubaev aus, dann sollten Sie sich denken: «Der Typ hat bestimmt auch schlimmen Mundgeruch.» Wenn das nicht klappt, sollten Sie sich eingestehen, was Ihnen wirklich fehlt. Nämlich, dass Sie es nicht so «durchziehen» wie der andere Typ. Und daran kann man ja arbeiten. Das klingt dann so: «Tu es einfach! Das ist der einzige Weg, um zu manifestieren und Momentum aufzubauen.»
Wie man sein Reich «beschützt», schildert der Autor in einem weiteren Kapitel. Sie müssten den «sozialen Widerstand», der sich womöglich gegen Ihren Egotrip auftut, «in den Griff bekommen». Wenn zum Beispiel ein Freund anruft, der mit Ihnen Basketball spielen möchte, Sie aber – um erfolgreich zu werden – Ulubaevs Buch lesen wollen, dann müssen Sie dem Drang, lieb und freundlich zu sein, widerstehen. Denn: «Entweder bin ich ein Gewinner, oder ich bin ein Opfer meiner Umstände.»
Das Problem: Nicht alle werden im realen Leben Champs. Sondern geraten tiefer in den Sumpf hinein, statt daraus heraus. Zum Beispiel, wenn sie es «durchziehen» und Freundschaften aufkünden, um Zeit für Ulubaevs Online-Coaching zu haben. Kosten für «massives Selbstbewusstsein»: 250 Euro pro Monat.
Sei freundlich
Ratschlag:
«Reden Sie mit Ihren Gästen, wenn Sie noch im Badezimmer sind.»
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The School of Life (2018): «Freundlichkeit. Eine vergessene Tugend»
«Die meisten Bücher, die uns verändern wollen, versuchen uns dünner oder reicher zu machen. Dieses Buch dagegen will uns helfen, netter zu sein», so das Versprechen bei The School of Life. Oha, mal was anderes!
Ein paar Tipps aus dem Buch, wie Sie ein herzlicher statt nur ein höflicher Gastgeber werden: Statt nur die Etikette zu befolgen, reden Sie schon mit Ihren Gästen, wenn Sie noch im Badezimmer sind. Spielen Sie ihnen die Songs vor, zu denen Sie mit 14 gern getanzt haben. Geben Sie zu, dass Sie sich von einem gemeinsamen Bekannten eingeschüchtert fühlen. Entlocken Sie ihnen eine Geschichte über ihre Schlaflosigkeit. Hören Sie mit ermutigenden «Hms» und «Ahs» zu, um Ihr Mitgefühl und Ihr Interesse auszudrücken.

In diesem Stil geht es voran: Wie man andere nicht langweilt, wie man nicht zu viel schimpft, wie man unvoreingenommen ist. Oder wie man gut zuhört: Haken Sie bei Themen ein, die das Gegenüber umtreiben und die wenig durchdacht sind – damit der andere am Ende der Unterhaltung klarer sieht. Sagen Sie Sätze wie «Erzähl mir mehr über», «Ich fand es faszinierend, als du gesagt hast, dass …» oder «Wie hast du dich dabei gefühlt?»
Aber ist es nicht so: Je mehr wir jemanden mögen, desto eher wollen wir über die Ursachen der Ischiasprobleme, den langjährigen Mutter-Sohn-Konflikt oder die ausgefallenen Sexualpraktiken Bescheid wissen. Wir sind nicht in erster Linie freundlich, um anderen zu gefallen, sondern intuitiv, weil wir uns für unsere Freunde interessieren. Dafür braucht es keinen Ratgeber-Lehrgang.
Sei gläubig
Ratschlag:
«Bekreuzige dich.»
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Anselm Grün (2019): «Spiritualität und Lebenskunst»
Natürlich schreibt Anselm Grün nicht direkt, dass wir an Gott glauben sollen. Jedoch wird ihn kaum jemand lesen, der nicht oder anders glaubt. Jesus taucht in der fünften Zeile des Vorworts zum erstenmal auf, das erste Kapitel heisst: «Im Alltag Gott erfahren». Schliesslich schlägt der Benediktinerpater als konkretes Glücksritual für den Alltag vor, sich zu bekreuzigen. Und schildert über mehrere Seiten, wie das genau geht.
Zuweilen nimmt Grüns spirituelle Schreibe skurrile Züge an: «Wenn du deinen Computer öffnest, gehe achtsam mit ihm um.» Dankbar sollten wir dem Gerät auch sein, denn «Er erleichtert dir die Arbeit». Und für den Fall, dass der Drucker das nächste Mal streikt, merken Sie sich dies: «Auch wenn er ein technisches Gerät ist, so zeigt er dir etwas von der Weisheit Gottes, die in ihn hineingelegt wurde.»
Bei anderen Themen wiederum klingen Grüns Ratschläge etwas verstaubt, als ob eine mit dem Evangelium gefütterte künstliche Intelligenz am Werk gewesen wäre. Zum Beispiel positives Körperbild: «Nur wenn ich meinen Leib liebe, so wie er ist, wird er auch schön. Denn Schönheit ist relativ. Es gibt die schöne Puppe, die aber kalt und ausdruckslos ist. Schönheit heisst, dass Gottes Herrlichkeit durch mich hindurchstrahlt. Das wird sie aber nur, wenn ich meinen Leib annehme und Gott hinhalte. Nur so kann er durchlässig werden für Gottes Liebe und Schönheit.»
Es ist die Krux an theologischen Ratgebern: Sie lassen sich kaum schreiben, ohne dass sie missionarisch wirken. Trotzdem – oder gerade deswegen – ist Anselm Grün mit rund 15 Millionen verkauften Büchern der meistgelesene spirituelle Autor Deutschlands.
Sei motiviert wie ein Weltmeister
Ratschlag:
«Brenne für das, was du tust.»
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Michael Gross (2020): «Das Beste liegt vor uns»
Der Mann hat als Schwimm-Profi alles gewonnen. Für seine Olympia-, Weltmeister- und Europameistersiege jubelten ihm in den achtziger Jahren Millionen Deutsche zu. Wegen seiner langen Arme bei zwei Metern Körpergrösse nannten ihn seine Fans den «Albatros».
Nun gibt Michael Gross uns Tipps, wie wir durchs Leben kommen. «Ja, aber» sagen ist verboten (die Formel fürs Glück lautet: «Ja, und …»). Oder: «Brenne für das, was du tust!» und «Träume können platzen, na und?»
Gross schreibt, als Kind habe er Pilot werden wollen. Weil er dafür zu gross war, platzte der Traum allerdings früh. Macht nichts! Wir sollten weitere Visionen fürs Leben spinnen, findet er. «Schwupps, dann ist plötzlich eine Tür offen.» So wurde Gross halt Olympiasieger im Schwimmen.
Natürlich ist auch Gross bewusst, dass nicht für alle die Tür zu Olympiagold aufgeht. Deswegen entwirft er auch Visionen für uns Normalos: «Ein Fahrzeugmechaniker arbeitet täglich von 7 bis 16 Uhr in einer Autowerkstatt. Insgeheim möchte er irgendwann einmal in der Formel 1 starten. Das wird er nie. Sein Herz geht ihm auf, wenn er bei Rennen auf der Tribüne sitzt und die Rennwagen fahren sieht.» Zwar nicht Formel-1-Pilot, dafür ein Fan. Na und?
Selber muss sich Gross, heute 60 Jahre alt, Gedanken übers Alter machen. Glücklicherweise taten sich für ihn nach der Schwimmkarriere – schwupps – neue Türen auf. Er wurde Coach, Autor, Berater und bezeichnet sich selbst als «erfolgreichen Unternehmer». Wir gönnen es ihm. Die Frage ist, ob uns das weiterhilft. Wurde er Olympiasieger, weil er die Glücksformel knackte? Oder knackte er die Glücksformel, weil ihm durch seine Olympiasiege plötzlich alles zu Füssen lag? Wir kommen hier nicht weiter.
Sei achtsam
Ratschlag:
«Begegne dem Jetzt mit schöner Metta.»
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Ajahn Brahm (2018): «Wie hilft der Bär beim Glücklichsein?»
Der britische Mönch Ajahn Brahm bringt uns den «Weg zu einem achtsamen und erfüllten Leben» näher. Damit besetzt er ein Thema, das unter den Ratgeber-Büchern zu den Top-Sellern gehört: Achtsamkeit, in diesem Fall gewürzt mit einer guten Prise Buddhismus.
Auf dem Buchcover tanzt ein Bär. Ganz so spielerisch leicht wird es dann aber doch nicht mit diesem Achtsamkeits-Meditations-Ding. Das Buch ist im Frage-Antwort-Stil aufgebaut. Hier der ahnungslose Anfänger, da der weise Meister.
Die erste Frage lautet: «Was ist eigentlich Metta? Ich stehe nämlich noch ganz am Anfang, musst du wissen.» Das ist für den Erstleser irritierend, denn wie soll jemand, der noch ganz am Anfang steht, nach etwas fragen, das er nicht kennt? Der Mönch holt uns ab und klärt auf: «Begegnest du jedem einzelnen Moment mit liebevoller Güte, begegnest du dem Jetzt mit schöner Metta.» In diesem Fall «befindest du dich auf dem Highway zur Erleuchtung. Und der Weg wird dann ganz leicht.»
In der Folge gibt es weitere fremde Begriffe zu lernen wie etwa Jhana und die dafür notwendigen Faktoren Vitakka, Vicara, Piti, Sukha und Ekagatta. Jhana bedeutet so viel wie ein meditativer Zustand tiefer Stille, in dem man völlig versunken und absorbiert ist. Für den Mönch «ein Glück, das besser ist als Sex».
Jeder könne Jhana erreichen, schreibt Brahm. «Ich sage nicht, dass es bei dir so sein wird, aber möglich ist es. Nichts hält dich davon ab. Es kommt dazu durch Weisheit und nicht durch Willenskraft. Wenn du klug bist, kannst du es erreichen.» Auf der einen Seite ist es also ganz leicht, auf der anderen kann nicht jeder Dummkopf zu diesem Glückszustand gelangen.
Womöglich hilft es, auch die anderen Bestseller des Mönchs zu lesen, die da heissen: «Die Kuh, die weinte» und «Der Elefant, der das Glück vergass».
Sei ein Kunde des Glücks
Ratschlag:
«Bestell dir das Glück im Universum.»
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Bärbel Mohr (1998): «Bestellungen beim Universum»
Wer noch nie etwas von positiver Psychologie gehört hat, mag von dieser Lektüre profitieren. Aber nur so lange, wie er die esoterischen Zutaten aushält, mit denen Bärbel Mohr das Buch kräftig gewürzt hat. Die Autorin erzählt, wie sie sich beim «universellen Bestellservice» mit einer 15-Punkte-Liste ihren Traummann bestellt, inklusive Lieferdatum. Nichtraucher soll er sein und unter anderem Tai Chi ausüben. Nachdem sie den Mann prompt geliefert bekommt, serviert sie ihn wieder ab (oder umgekehrt, das wissen wir nicht, auf jeden Fall wird es nichts). Darauf erweitert Mohr die Liste auf 25 Punkte. Weil sie dann «mit dem 25-Punkte-Mann mehr Stress» hat, kommt sie irgendwann auf die Idee, jenen Mann zu bestellen, «der jetzt am besten zu mir passt». Geliefert!
Auch sonst bestellt die Autorin so einiges, zum Beispiel wünscht sie sich, in einem Schloss zu leben. Woraufhin sich genau diese Möglichkeit auftut, sie das dann aber doch nicht so toll findet und weiterzieht. «Wen Gott strafen will, dem erfüllt er seine Wünsche», sinniert sie.
Man könnte nun weitere Formalitäten des Bestellservices ausführen. Aber vermutlich haben Sie das Prinzip begriffen. Dass es hilfreich ist, seine Wünsche und Ziele konkret zu formulieren, Vertrauen zu haben, dass sie erfüllt werden, und sich dann auf jene Dinge zu konzentrieren, die funktionieren – geschenkt! Als die Autorin dann aber anhand von «kosmischen Hintergrundfeldern», «wissenschaftlich anerkannten Wunderheilungen» und «Löffelbiegseminaren» ausführt, warum der Bestellservice funktioniert, überkommt den Leser der unmittelbare Drang, das Buch zuzuklappen.
Sei locker
Ratschlag:
«Lass es dir am Arsch vorbeigehen.»
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Alexandra Reinwarth (2016): «Am Arsch vorbei geht auch ein Weg»
Uiuiui. Im Klappentext heisst es: «Lass dich von Alexandra Reinwarth inspirieren, wie man sich Leute und Umstände am Arsch vorbeigehen lässt». Immerhin mit der Ergänzung: «Aber trotzdem nicht zum Arschloch mutiert.»
Egal sein sollte uns gemäss der Autorin so ziemlich alles, was da draussen von uns erwartet wird: Bikinifigur, Selbstverbesserung, perfekte Eltern zu sein und generell die Vorstellungen anderer Leute. Allerdings offenbart Reinwarth auch, dass es ihr nicht leichtfällt, Ratschläge zu ignorieren. Als sie schwanger war, empfahl ihr ihre Schwägerin, keine Ananas zu essen. Die könne zu Fehlgeburten führen. Die Hebamme entwarnte, trotzdem ass Reinwarth bis zur Geburt nicht mehr von der Frucht, die sie liebte.
Ausserdem hatte die Autorin in der Vergangenheit offensichtlich sehr wohl mit gesellschaftlichen Erwartungen zu kämpfen: «Ich war mir immer sicher, irgendwann in der Zukunft und wenn ich mich nur genug anstrenge, wäre ich auch so, wie ich es gerne hätte.» Also Yoga, Lebensmittel auf dem Markt kaufen und so weiter. «Vor Weihnachten wäre ich gut gelaunt, ich würde mit dem Kind singen und Plätzchen backen und mir auf Pinterest ansehen, wie man mit selbstgesammelten Tannenzapfen Weihnachtspäckchen verziert.»
Jetzt findet sie: «Man muss akzeptieren, dass man so ist, wie man ist, und dass die eigenen Möglichkeiten begrenzt sind. Das heisst nicht nur, dass auf meinen Weihnachtsgeschenken keine Tannenzapfen zu finden sind, sondern auch, und das ist die etwas schmerzvolle Einsicht, dass ich nicht die offene, neugierige, lebenslustige und gesellige Person sein werde, die mir sympathisch wäre.»
Die meisten Ratgeber fordern Veränderung ein, um der Unzufriedenheit zu begegnen: die abendlichen Netflix-Serien gegen eine Meditationssession eintauschen oder den dreifachen Espresso am Morgen gegen ein Bekreuzigungsritual. Reinwarths Ratgeber aber rät von Ratschlägen ab. Und schlägt eine wohltuende Alternative vor: Akzeptieren, wie es ist.