Dieser Inhalt ist für Abonnent:innen des bref Magazins sichtbar.
Jetzt abonnierenHaben Sie bereits ein Abo?
Alfonsina Storni (1892–1938) ist eine Entdeckung – allerdings nur aus Sicht des deutschen Sprachraums. In Argentinien, wo die Schweizerin den Grossteil ihres Lebens verbrachte, war sie zu Lebzeiten eine berühmte Dichterin und eine feste Grösse des Literaturkanons. Geboren im Tessin, wanderte Storni im Kindesalter mit ihrer Familie nach Argentinien aus. Als junge Frau zog sie vom Land nach Buenos Aires. Nach 20 produktiven Jahren erkrankte sie an Brustkrebs und nahm sich 46jährig das Leben.
Berühmt-berüchtigt wurde die junge Storni als unangepasste, feministische Dichterin, die Konventionen und romantische Illusionen vorführte. So etwa im Gedicht «Tú me quieres blanca» («Du willst mich rein»), in dem sie einem männlichen Gegenüber gehörig den Kopf wäscht. Dem Mann, der «sie alle hatte,/volle Tassen in Händen», also die Freuden des Fleisches schamlos ausgekostet hat, ruft sie zu : «du verlangst dass ich rein sei!» Sie schickt ihn in die Berge, bis «das Fleisch/wieder ganz bei dir ist/und du ihm auch die Seele,/die sich in Schlafzimmern/verheddert hatte,/wieder zurückgegeben hast».
In einem publizistischen Grossprojekt bietet die Literaturwissenschaftlerin Hildegard E. Keller nun eine Vermittlung von Stornis Werk. Nach vier Bänden Prosa wird die Werkausgabe mit einer Gedichtauswahl komplettiert, die Stornis Lyrik in ihrer ganzen Vielseitigkeit zeigt. Als Übersetzerin strebt Keller keine formstrenge Nachdichtung an, sondern konzentriert sich auf eine verständliche Ausdrucksweise, die Stornis markante Bilder und launige Tonalitäten gut einfängt. 85 Jahre nach ihrem Tod ist die verlorene Tochter der Schweizer Literatur endlich in einer umfassenden, wunderschön gestalteten Ausgabe greifbar.
Haben Sie bereits ein Abo?