Die Seite wurde Ihrer Lesezeichenseite hinzugefügt. Klicken Sie auf das Menüsymbol, um alle Ihre Lesezeichen anzuzeigen. Die Seite wurde von Ihrer Lesezeichenseite entfernt.
Autor: Ruedi Widmer
Freitag, 12. April 2024

Ein Plakat von Coop aus dem Jahr 1960.

Dieses Plakat hängt seit fünfzehn Jahren bei uns zu Hause an der Wand im Essbereich. Ich habe es irgendwann in den Nullerjahren gekauft, als ich eine kleine Sammlung von Schweizer Werbeplakaten aufgebaut habe, die mir gefallen (Pepita, Swissair, SBB, Elmer Citro usw). Das freudige Bild bringt eine gute Stimmung ins Haus, schon am Morgentisch.

Ich bin ausgebildeter Grafiker und hatte besonders früher ein grosses Interesse an Werbung. Heute bin ich zu neunzig Prozent Illustrator, Cartoonist und beschäftige mich vermehrt mit dem Einfluss künstlicher Intelligenz in der Welt der Illustration.

Werbung ist heute integriert in allen möglichen Medien, auf der News-Website, im Newsletter, im Smartphone, im Fernsehen, auf Youtube, bewegt, animiert. Eine Werbeidee ist eine grosse Auslegung, ein Programm, das hundertfach auf alle möglichen Applikationen adaptiert wird und an dem ganz viele Leute mitarbeiten: Meinungsforscher, Kreative, Gestalterinnen, Texter, KI-Souffleusen, Animatoren, Filmproduzentinnen, Marketingplaner. 

In der Zeit des Wirtschaftswunders, nach den entbehrungsreichen Jahren des Zweiten Weltkriegs, wurde der moderne Konsum eigentlich erst erfunden, und damals, als alle Menschen nur wenig bis nichts hatten, reichte schon ein einfaches Bild eines Bierglases, einer Seife oder eines Lederschuhs, um die Verheissungen des neuen Wohlstands zu transportieren. «Reklame» war eine einfache Sache, es gab wenig Konkurrenz. Die Firmen mussten noch keinen Bullshit verkaufen wie heute, wo (in den meisten Fällen) alles Lebensnotwendige im Überfluss da ist und das Wirtschaftswachstum mit allerhand kurzlebigem Verbauchsmaterial bestritten wird. Damals gab es bloss Zeitungsinserate, und es gab Plakate. 

So beauftragten die Schweizer Firmen in den 1940er und 1950er Jahren Plakatkünstler – es waren praktisch nur Männer –, um sich ein gutes Image zu verschaffen. Bekannte Namen waren neben den konstruktiven Gestaltern Armin Hoffmann oder Josef Müller-Brockmann, die figürlichen Donald Brun, Hans Aeschbach und vor allem Herbert Leupin; seine Plakate für Pepita, den Zirkus Knie oder Adelboden sind grossartige Illustrationen, mit einem Charme und einer Zärtlichkeit, die heute in der Werbung kaum noch existieren.

Manche Plakatgrafiker wie Alois Carigiet, Hugo Wetli, Celestino Piatti oder Hans Falk waren auch bildende Künstler. Solche heute nostalgischen Plakate, besonders aus dem Tourismus, berühren viele Menschen in der komplexer gewordenen Welt. Werbeplakate von damals sind zu Kunst geworden und werden auch entsprechend gehandelt.

Mein vorliegendes Originalplakat stammt von 1960. Im Gegensatz zu den inzwischen sehr teuren Plakaten von Leupin und Co. habe ich nicht wahnsinnig viel dafür bezahlt, der Preis lag im tiefen dreistelligen Bereich. Das Plakat ist ein Offsetdruck, und die Farben sind immer noch knallig, obwohl es inzwischen über sechzig Jahre alt ist. Es steht am Rand «Entwurf: Zentrale Koordinationsstelle VSK Basel A. Moesch» drauf, was nach einer firmeninternen Werbeabteilung klingt.

An diesem Plakat gefällt mir die klare Botschaft – ohne Worte; eine hohe Kunst der Kommunikation. Ein freundliches Männchen, das ein fotografiertes knuspriges Brot umarmt. Kein zeitgeistig origineller Spruch, keine «People», keine «Emotionen». Dazu mag ich das Coop-Logo auf dem Fähnchen, ein heute in der Wirtschaftswelt kaum mehr denkbarer Auswuchs konkreter Kunst. Als Kind war dieses Logo für mich ein Bild, kein Wort. Und auch heute noch «lese» ich es nicht, sondern sehe darin eine rein geometrische Komposition, vielleicht ein abstraktes Gesicht.

  • Im Dienst

    N° 3/2024

    CHF14.00 inkl. 2.6% MwSt.
    In den Warenkorb