

«King Roger». Digitales Gemälde von Art-Director Ioannis Sochorakis, 2017. (Bild: Maurice Haas)
Das in einen opulenten Bilderrahmen gefasste Gemälde «King Roger» zeigt den ehemaligen Profisportler und heutigen Werbe-Influencer Roger Federer in heroischer Pose. Er trägt Stirn- und Schweissband des Sportartikelherstellers Nike und hält einen Tennisschläger der Marke Wilson – beides Sponsoren von ihm, deren Logos gekonnt unauffällig in Szene gesetzt werden. Roger blickt auf uns herab. Der Bildhintergrund ist malerisch gehalten und erinnert an die Portraits der alten Meister.
Doch trotz vermeintlicher Perfektion handelt es sich bei dem Werk nicht um ein klassisches Ölgemälde, sondern um ein von Art-Director Ioannis Sochorakis digital erstelltes und geplottetes Requisit. Es wurde für die Dreharbeiten der SRF-Late-Night-Show «Deville» produziert, deren Hauptautor und Showrunner ich war. Verwendet wurde es im Sketch «Der Roger-Federer-Prozess», eine humoristische Abrechnung mit der öffentlichen Wahrnehmung von Roger Federer, der in der Schweiz zeitweilen fast religiöse Verehrung erfuhr. Im Sketch stand ein Bürger vor Gericht, weil er Roger Federer nicht den nötigen Respekt gezollt hatte. Er wurde zur Schande seiner Familie und am Ende des Landes verwiesen.
Wie die meisten Requisiten wäre auch «King Roger» nach Drehschluss eingemottet oder zerstört worden, hätte ich nicht interveniert und ihn zu mir ins Büro genommen. Dort stand er, bis «Deville» vom Sender ging – danach nahm ich ihn mit nach Hause, und unterdessen ziert er den Gang unserer Wohnung. King Roger hat nun direkte Sicht auf meine Toilette.
Obschon ich in meiner Jugend selber Tennis gespielt habe, weiss ich herzlich wenig über den Sport. Ich bin kein Fan Federers und finde Personenkult grundsätzlich verstörend. Trotzdem freue ich mich jedesmal, wenn ich das Werk sehe. Ich verbinde damit wunderbare Erinnerungen an die intensivste Zeit meines beruflichen Lebens – die Entwicklung und Produktion unserer Late-Night-Show. Das Gemälde erinnert mich daran, dass aus Schnapsideen physische Realität werden kann und dass ein guter Witz immer mit Aufwand, Können und viel Schweiss verbunden ist.
Neben «King Roger» hängt bei uns nicht viel Kunst, von den Dutzenden Zeichnungen unserer Tochter abgesehen. Gut möglich, dass ich als hauptberuflicher Zyniker nur ironisch Schönheit akzeptieren kann. Ästhetik war mir schon immer suspekt. Und seit dem Aufkommen von KI- Bildgeneratoren wurde es für mich noch irrelevanter, ob ein Kunstwerk schön ist. Noch mehr als früher interessiert mich bei Kunst nicht das Was, sondern das Wer, das Wieso und das Wieso-nicht. Attitüde und Kontext sind die Mahlzeit meiner Kunstrezeption – und Schönheit ist nur noch Beilage.
Der komplette Sketch lässt sich hier ansehen: https://vimeo.com/karpi/federer.