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Autorin: Ilona Schmiel
Freitag, 21. Juni 2024

Pipilotti Rist, Pixelwald Turicum, 2021, Videosystem, LED in Kristallmuscheln, Steuergeräte, 15’0’’ (Loop). © Pipilotti Rist, Courtesy the artist, Hauser & Wirth and Luhring Augustine / 2024, ProLitteris, Zurich

Pipilotti Rists «Pixelwald» im Kunsthaus Zürich ist ein magischer Ort für mich. Fünfmal habe ich diese zauberhafte Lichtinstallation besucht, seit David Chipperfields Erweiterungsbau im September 2021 eröffnet wurde, und ich werde immer wieder hingehen. Man betritt einen Raum, der erstmal dunkel zu sein scheint, der dann aber als in sich geschlossene Welt in allen Farben zu funkeln beginnt. Es hängen Schnüre von der Decke wie Lianen, daran festgemacht sind Blumen, wenn man so will, 3000 LED-Lichter, die immer wieder die Farben wechseln. Als Besucherin bin ich dazu eingeladen, in diese Videokunst einzutauchen und darin zu verweilen.

Ich verehre Pipilotti Rist seit vielen Jahren, ohne sie je getroffen zu haben. Erstmals bin ich ihrer Arbeit während meiner Zeit als Intendantin und Geschäftsführerin des Beethovenfestes in Bonn begegnet. Ich habe seither viele ihrer Fotomontagen und Installationen gesehen; einen Aspekt finde ich in allen Werken verbindend: Pipilotti Rist entführt mich in eine andere Welt, weit weg von allem Alltäglichen.

Wenn die Künstlerin den «Pixelwald» beschreibt, spricht sie von der «ironischen Idee eines Monitors, der in einem Raum explodiert». Für mich explodiert da aber gar nichts. Mich springt keine Energie an in diesem Werk. Es ist ein Universum, das mich demütig macht, es versetzt mich weit in meine Kindheit zurück. Mir fällt eine sehr frühe Erinnerung ein: Wenn im Dunkeln der Grossstadt Autos vorbeiflitzen oder wenn man in einen Garten blinzelt, in dem bunte Lichterketten hängen, ja, wenn man dann die Augen zusammenkneift, dann leuchtet alles und wird zur eigenen Welt …

Der «Pixelwald» ist für mich ein Ort des Lichts, der Imagination und der Reflexion, ein Ort der Stille. Und dies, obwohl es einen Audio-Loop gibt, der sehr unterschiedliche musikalische Facetten zeigt, die sich aber nicht in den Vordergrund drängen; das optische Erlebnis bleibt für mich das zentrale.

Ich bin sofort konzentriert und werde ruhig, wenn ich diesen Raum betrete. Am liebsten setze ich mich auf den Boden und bleibe einfach da, ohne zu wissen, wieviel Zeit vergangen ist, bis ich wieder aufgestanden bin. Das ist ein Teil der Magie dieser Installation: Ich verliere jedes Zeitgefühl. Auch interessiert es mich nicht, wer rein- oder rausgeht und was um mich geschieht. Ich lasse diese Kunstwelt auf mich wirken.

Obwohl mir klar ist, dass Pipilotti Rists Werke optisch wie technisch sehr detailliert geplant sind, lösen sie in mir ein Staunen, eine Hingabe aus, sie nimmt mich jedes Mal mit auf eine andere Ebene. So ist der «Pixelwald» für mich ein meditativer Raum, der mich keine Sekunde lang an Technik denken lässt. Das ist anders als bei anderen Installationen, die mit Ausleuchtung arbeiten, wie etwa eine Ausstellung, die ich kürzlich in Tokio gesehen habe; «teamLab Planets» heisst sie. Da steht eher die Faszination für die Aufmachung im Vordergrund als jene für die Kunst.

Hier im Kunsthaus Zürich denke ich nicht ans Jetzt oder ans Tagesgeschäft, ich lasse mich verzaubern. Das schafft grosse Kunst, dass sie einen gedanklichen Überbau wegschieben kann, so dass Betrachterinnen aufgehen in einem Raum – das gilt auch für die Musik. Musik im Konzert hat eine programmatisch definierte Zeitachse ohne optische Ausrichtung. Sie bewirkt zwar ein anderes Raumerlebnis, aber die Faszination ist ähnlich. Wer weiss, vielleicht steht Pipilotti Rist einmal der Sinn nach Musik im Konzertsaal, dann begegne ich ihr und lerne sie endlich persönlich kennen.

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