Arnold Böcklins 152 ×105 cm grosses Ölgemälde «Der Heilige Antonius predigt den Fischen» aus dem Jahr 1892 ist Teil der Sammlung des Kunsthauses Zürich.
Es ist längst ein Ritual: Bei jedem Besuch im Kunsthaus Zürich gilt mein letzter Gang dem Bild «Der Heilige Antonius predigt den Fischen» im ersten Stock der Sammlung. Der symbolistische Schweizer Maler Arnold Böcklin schuf es 1892. Das Bild zeigt Antonius, der mit Inbrunst zu einem mittelgrossen Hai unter ihm spricht. Dieser wiederum blickt staunend zu ihm hinauf, dabei hält er gebetsartig seine Flossen gekreuzt.
Der Hai liegt, wenig ideal, inmitten von Sand und Steinen. Um den Worten des Heiligen lauschen zu können, verliess er gar das Wasser. Die Fische im Hintergrund recken ebenfalls ihre Köpfe heraus, und selbst der hässliche Wels liegt ergriffen im Sand. Der Legende nach soll sich die von Böcklin dargestellte Szene in Rimini ereignet haben. Im Küstenort hatten damals die Katharer und die Waldenser das Sagen. Als Antonius in der Stadt eintraf, wurde ihm sogleich ein Predigtverbot auferlegt, woraufhin er zum Meer ging, um dort die Worte Gottes zu verkünden.
Zu Tausenden sollen die Fische an den Strand herangeschwommen sein. Arnold Böcklin malte die Fischpredigt ganz nach der Erzählung, poetisch und phantasievoll. Wäre da nur nicht das kleine Bild, dass er untrennbar unter die heile Szene platziert hat. Auf diesem ist zu sehen, was sich unter der Wasseroberfläche ereignet: In dunkler Tiefe sind die schönen Lichtreflexe der Fischleiber zu sehen, aber auch ein Hecht, der kleine Fische jagt und verschlingt. Es ist dieses Sockelbild, dass die Moral des Gesamtwerks rahmt: Andächtig lauschen wir dem Guten, um danach wieder in die Tiefe und Dunkelheit abzutauchen. Zurück ins alte Leben, zurück zu den bösen Gewohnheiten.
Die Schriftsteller Clemens Brentano und Achim von Arnim nahmen sich bereits Anfang des 19. Jahrhunderts der Fischpredigt von Antonius an. Ihre Verse sind in Gustav Mahlers Lied «Des Knaben Wunderhorn» zu hören: «Die Predigt hat g’fallen. Sie bleiben wie alle. Die Krebs gehn zurücke, Die Stockfisch bleiben dicke, Die Karpfen viel fressen, Die Predigt vergessen.»
Auf seiner Rückseite des Ölgemäldes ist der Text «Fischpredigt» aus «Des Knaben Wunderhorn» als Druck angebracht. Als Gustav Mahler diesen Text vertonte, mag er sich der böcklinischen Kunstweise nahe gefühlt haben.
Brida von Castelberg war zwanzig Jahre lang Chefärztin der Frauenklinik des Zürcher Triemlispitals. Heute setzt sie sich als Stiftungsrätin der Patientenschutzorganisation SPO für die Rechte der Patienten ein.