
Sind Sie Schweizer? Schwein gehabt. Immer mal wieder geistert die Geschichte von Menschen, die bei der Einbürgerung gescheitert sind, durch den Boulevard. Neulich hat es das Ehepaar Ronny Van Unen und Saskia Scheltes aus den Niederlanden getroffen. Seit zwanzig Jahren leben sie in der Schweiz. Seit fünfzehn im schwyzerischen Unteriberg. Leider. Denn die Bevölkerung befand die beiden für zu wenig gut integriert und liess sie an der Gemeindeversammlung gnadenlos durchrasseln.
Zwei von zwölf Fragen hatten sie falsch beantwortet, was nicht sonderlich viel scheint. Aufschlussreicher ist das Foto, das merkwürdigerweise von der Versammlung existiert. In der ersten Reihe sieht man das Paar in kämpferischer Haltung. Dahinter hockt in grimmiger Entschlossenheit die Landbevölkerung. Zwischen den beiden Parteien klafft eine leere Stuhlreihe, so als wolle man demonstrieren, wie weit man voneinander entfernt ist. Unteriberg und die Niederlande. Zwei fremde Planeten.
Dabei gibt es kaum optische Unterschiede, mal abgesehen von den Schirmmützen, die bei Männern hierzulande die Kopfbedeckung der Wahl ist. Ansonsten hat das Ehepaar nicht viel falsch gemacht. Der Mann war Mitglied in einem Flugclub, und seit der Pensionierung restaurieren die beiden Uhren. Schweizer Uhren! Fehlt nur noch, dass sie in der Badewanne selber Käse herstellen.
Genau hier liegt das Problem: Die beiden wollten Schweizer werden. Die Gemeinde befand jedoch darüber, ob sie künftig Unteriberger sein dürfen. Beides steht irgendwie für dasselbe und geht trotzdem häufig nur schwerlich zusammen.
Dabei wäre ein starker Gemeindesinn wünschenswert. Ich komme aus einem kleinen Dorf, klein wie Unteriberg, und weiss sehr gut, dass Verbundenheit mit der Gemeinde längst nicht mehr der Realität entspricht. Die meisten verspüren sie kaum mehr.
Sie arbeiten in Zürich, engagieren sich nicht in Vereinen oder politischen Ämtern und pflegen, bis auf den einen oder anderen Grill im Sommer, kaum Kontakte mit der Nachbarschaft. Sie haben den Ort allein wegen des günstigen Steuerfusses gewählt oder weil es hier eben noch Platz und einen vernünftigen Baupreis für ein Eigenheim gibt. Sie leben als Fremde unter Fremden.
Genau so haben es Ronny Van Unen und Saskia Scheltes gemacht. Mit ihren Uhren und Alpenflügen weit über die Gemeindegrenze hinaus verkörpern sie den Prototyp des Schweizer Bürgers in der heutigen Zeit. Das ist ihnen zum Verhängnis geworden.
Zugehörigkeit wird dieser Tage immer wertloser und gleichzeitig immer teurer. In den USA, wo derzeit ausländische Studentinnen – aber auch Journalisten – um ihre Aufenthaltsbewilligung fürchten, kann man sich für fünf Millionen Dollar eine Gold Card mit unbegrenztem Aufenthaltsrecht kaufen. Und auch in der Schweiz existiert eine sogenannte Goldene Visa. In Zürich erhält man sie ab einer jährlichen Steuerrechnung in der Höhe von einer Million. Gleichzeitig denken Leute wie der Psychiater Frank Urbaniok laut darüber nach, das Menschenrecht auf Staatsangehörigkeit, etwa für Gewalttäter, abzuschaffen.
Das ist die Welt, auf die wir uns gerade zubewegen. Eine Welt, in der Zugehörigkeit eine Ware ist, die man jederzeit verlieren und gegen ausreichend Kohle zurückkaufen kann. Niemand kann so etwas wollen, der nicht sehr reich und gleichzeitig ein Lump ist.
Na also, Schweizerinnen, Menschen, Unteriberger: Nehmt die Niederländer, die schon so lange unter uns weilen. Sie bringen uns vielleicht keine Millionen. Dafür reparieren sie unsere Uhren. Das ist doch auch etwas.