Busse – das Wort klingt in heutigen Ohren nach finsterem Mittelalter: Ausgemergelte Weiblein rutschen auf wunden Knien die steinernen Treppen der Kathedralen hoch, Mönche fügen sich mit der Geissel blutige Striemen zu, Frauen und Kinder schlottern vor Angst in den Beichtstühlen, erfinden Verfehlungen, die sie gar nicht begangen haben, nur um vom gestrengen Priester Absolution zu erlangen.
Jahrhundertelang wurden die Seelen der Gläubigen im Schraubstock zwischen Schuld und Sühne eingequetscht. Dem bereiteten die Reformatoren ein Ende. Sie überantworteten die Busse fortan dem persönlichen Gewissen des einzelnen Christenmenschen. Diese Verlagerung aber machte die Bürde des Büssens nicht unbedingt leichter: Denn allein vor Gott zu stehen, ohne sich im Schutz der Gemeinde vor der Verantwortung wegducken zu können, ist nicht einfach. Man kann sich von seiner Schuld auch nicht mehr freikaufen durch ein paar Ave-Marias.
Heutzutage erschöpft sich das Bussempfinden des Menschen auf den Bussgeldbescheid des Verkehrssünders. Ansonsten weiss er mit dem Begriff nichts mehr anzufangen. Das hat mit unserem veränderten Gottesbild zu tun. An die Stelle eines zürnenden, strafenden Rächers, vor dem wir uns früher im Staub winden sollten, trat ein wohlwollender Gönner. Dieser ermutigt uns, uns ohne Angst vor dem Weltgericht mit unseren Verfehlungen auseinanderzusetzen. In Jesaia 41, 10 steht: «Fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir! Hab keine Angst, denn ich bin dein Gott! Ich mache dich stark, ja, ich stehe dir bei! Ja, ich halte dich mit der rechten Hand meiner Gerechtigkeit!»
Gerecht muss es aber schon zugehen. Zu glauben, mit einem billigen «Entschuldigung» einen Schaden einfach so abgelten zu können, ist genauso daneben wie ein achselzuckendes «Shit happens». Dahinter steckt nichts anderes als die Weigerung, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen.
Ein neues Verständnis von Busse hiesse, sich Zeit zu nehmen und der eigenen Schuld bewusst zu werden. Dann anders handeln, die Welt so verändern, dass Versöhnung drin Platz hat. Weniger Demut, mehr Mut! Wer so die Busse für sich und andere gestaltet, ermöglicht zumindest eine irdische Erlösung. Ein solcher Klärungsprozess bedeutet, mit sich selbst ins Gericht zu gehen, und meint eben nicht ein auf Furcht gegründetes Zu-Kreuze-Kriechen. Für seine Taten buchstäblich geradezustehen, aufrecht zu schreiten, darum geht es. Wie viel Freiheit in diesem Verständnis von Busse doch stecken kann.