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Ein Opfer ist im Grunde etwas Grausames. Es ist totalitär, denn es verlangt dem Menschen die vorbehaltlose Hingabe gegenüber einer höheren Macht ab. Sein Sinn besteht darin, eine bedrohliche Instanz, die über unser Schicksal gebietet, versöhnlich zu stimmen.
Heute klingt das erst mal nach religiösem Aberglauben aus grauer Vorzeit. Archäologisch freigelegte archaische Opferstätten umweht ein Ruch von Barbarei gegenüber Tieren und Menschen, der uns völlig fremd ist. In der heutigen, eher vernunftgeleiteten Welt fallen die Opfer, die wir zu geben bereit sind, harmlos aus: «Danke, dass Sie mir Ihre Zeit geopfert haben» ist etwa eine dieser Höflichkeitsformeln, die noch entfernt daran erinnern, dass man sich in grauer Vorzeit von etwas Wertvollem, Elementarem trennen musste.
Die Werte haben sich offenbar verschoben. Im Zeitalter der Individualisierung würde jedes Opfer, das mit einer Selbstgefährdung verbunden ist, wohl verweigert. Das ist auch gut so. Denn hinter jeder fanatischen Opferbereitschaft steht eine ideologische Verblendung. Die Nazis haben beispielsweise ihre begeisterte Jugend so zugerichtet, dass sie den «Heldentod für den Führer» als eine Ehre empfand und ihn suchte. Islamistische Selbstmordattentäter werden von ihren Hasspredigern nach dem gleichen Muster instrumentalisiert.
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