Zermatt ist das teuerste Skigebiet der Schweiz. Rund 7000 Franken kostet eine Woche Skiferien mit einer vierköpfigen Familie. Glück hat, wer hier im Dienste Gottes tätig ist: Im Zentrum Zermatts wird seit Jahren eine kleine, aber komfortable Dreizimmerwohnung wochenweise vermietet. Ein Geheimtipp. Allerdings: vergeben wird die Wohnung in unmittelbarer Nähe der Station «Klein Matterhorn» ausschliesslich an Pfarrpersonen und Prädikanten.
«Günstige Ferien in Zermatt gegen Gottesdienst», lautet der Deal, den sich die evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Visp ausgedacht und in einem Inserat im bref-Magazin publiziert hat. So soll der Winterkurort pastoral bedient werden. Gesucht werden Pfarrer, die gegen eine ermässigte Miete und die Verpflichtung, den sonntäglichen Gottesdienst zu halten, eine oder auch mehrere Wochen lang den Walliser Bergzauber geniessen möchten. 110 Franken kostet die Übernachtung im Winter, 70 Franken im Sommer. Bis zu vier Personen können untergebracht werden. Vergleichbare Wohnungen in Zermatt kosten schnell einmal doppelt so viel.
Die Wohnung gehört der Kirchgemeinde Visp und wird seit vielen Jahren vermietet. «Überaus erfolgreich», wie der Visper Pfarrer Tillmann Luther sagt. «Es melden sich Pfarrpersonen aus der Schweiz, aus Deutschland und anderen Ländern. Einmal war sogar der bekannte Gefängnisseelsorger Tobias Brandner aus Hongkong zu Gast bei uns.» Und: «Wir haben Pfarrerinnen und Pfarrer, die schon mehrmals in Zermatt waren und jeweils gleich wieder buchen.»
«Wir haben Pfarrerinnen und Pfarrer, die schon mehrmals in Zermatt waren und jeweils gleich wieder buchen.» Tillmann Luther, Pfarrer in Visp VS
Trotzdem, meint Luther, sei es sinnvoll, von Zeit zu Zeit ein Inserat zu schalten, um neue Gäste anzulocken. Er betont, dass ausser dem Gottesdienst keine weiteren Verpflichtungen entstünden.
«Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen für ortsansässige Reformierte werden weiterhin von mir betreut», so Luther. Gewisse Abstriche müssten die Gastpfarrer allenfalls bei der Besucherzahl der Gottesdienste machen. «An manchen Tagen kann es sein, dass auch mal nur zwei Leute den Weg in die Kirche finden.»
Lieber auf der Piste
Es habe deshalb schon Pfarrerinnen und Pfarrer gegeben, die enttäuscht waren, als am Sonntag nur zwei oder drei Personen den Gottesdienst besuchten, sagt Werner Kradolfer, Kirchgemeinderat von Visp und selbst in Zermatt wohnhaft. «Für uns ist es in Ordnung, wenn unsere Ferienpfarrer nicht eigens eine neue Predigt für den Gottesdienst schreiben. Eine alte aus der Schublade reicht völlig aus.»

Einer, der das Angebot in Zermatt gerne in Anspruch nimmt, ist Erich Huber, soeben pensionierter Pfarrer aus Wangen bei Olten. Er kommt seit 1999 regelmässig nach Zermatt, um hier Wander- und Skiferien zu verbringen. «Im Winter wollen die Leute auf die Piste», sagt er, «zu meinem letzten Gottesdienst sind daher nur vier gekommen.» Oft treffe er die Gemeindemitglieder aber auch ausserhalb des Gottesdienstes, etwa auf Wanderungen oder bei einem Apéro. Besser besucht seien die Predigten im Sommer: «Dann haben die Leute Zeit.»
Die meisten Pfarrerinnen und Pfarrer dürften aber gut damit leben können, einmal eine etwas kleinere Gemeinde zu betreuen. Schliesslich bietet Zermatt ein reichhaltiges Freizeitangebot. Das Inserat der Kirchgemeinde Visp jedenfalls zieht: Seit dem 18. März haben sich bereits mehrere Interessenten bei Pfarrer Tillmann Luther gemeldet. Der Berg ruft.
Heimito Nollé
Die evangelisch-reformierte Kirche Wallis mit Sitz in Sion zählt vom Rhonegletscher bis zum Genfersee zehn reformierte Kirchgemeinden. Je nach Region sind die knapp 20000 Mitglieder deutsch-, französisch- oder zweisprachig. Die Reformierten sind im Wallis eine Minderheit. Rund 75 Prozent der Walliser sind Mitglied der katholischen Kirche. bat