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Freitag, 02. September 2016

Die Sommerferien sind vorbei, das neue Schuljahr hat begonnen. In vielen Kantonen hat damit auch der konfessionelle Religionsunterricht wieder angefangen – jener Unterricht also, der von den Landeskirchen verantwortet wird und der je nach Kanton in Räumen der Schule oder der Kirche stattfindet. Da und dort nimmt auch ein Kind daran teil, dessen Eltern keiner Landeskirche angehören. Diese bezahlen keine Kirchensteuern und beteiligen sich somit auch nicht an den Kosten des Unterrichts. Soll man sie nun zur Kasse bitten?

Debatte über die richtige Praxis

Die Solothurner Landeskirche beantwortet diese Frage mit Ja; sie empfiehlt den Gemeinden, von ihren Nichtmitgliedern 200 Franken für den Unterricht zu verlangen. Lohn-Ammannsegg kommt dieser Weisung nach, wie die Solothurner Zeitung vor kurzem schrieb – und löste damit eine Debatte aus. Dabei steht die Gemeinde gar nicht alleine mit ihrer Praxis: Die Bündner Kirche spricht sich für einen Beitrag von 100 Franken aus, und die Zuger Kirche legt den Eltern seit 2010 nahe, «je nach finanziellen Möglichkeiten» einen «Solidaritätsbeitrag» zwischen 100 und 400 Franken an eine von drei vorgeschlagenen Institutionen zu zahlen, was 65 Prozent im letzten Jahr auch taten. Knapp 120 konfessionslose Kinder von insgesamt gut 1500 Schülern besuchten dort den reformierten Religionsunterricht.

Auch die Thurgauer haben seit der neuen Kirchenordnung von 2014 explizit die Möglichkeit, den Religionsunterricht zu verrechnen. Jede Kirchgemeinde entscheidet aber selbst, ob sie es auch macht. «Die Kirchenpräsidenten haben sich für einen solchen Paragrafen eingesetzt», sagt Stefan Kormann, Kirchenpräsident im thurgauischen Aadorf. Er selbst findet es unfair, wenn die einen über die Kirchen steuern für den Unterricht bezahlen müssen und die anderen nicht. «Dann können wir die Steuern gleich abschaffen», sagt er.

«Für einige Eltern ist die Rechnung Anlass, wieder in die Kirche einzutreten. Andere nehmen ihre Kinder aus dem Unterricht.» Stefan Kormann, Kirchenpräsident Aadorf

Seine Gemeinde verschickt «seit etlichen Jahren» eine Rechnung in der Höhe von 300 Franken pro Schuljahr an Eltern, die keiner Landeskirche angehören. Insgesamt sind es etwa sechs Rechnungen pro Jahr. «Für uns ist das auch ein Signal an die Steuerzahler.»

Das Einfordern des Betrags führe zu ganz unterschiedlichen Reaktionen, berichtet er aus der Praxis: «Für einige Eltern ist die Rechnung Anlass, wieder in die Kirche einzutreten. Andere nehmen ihre Kinder aus dem Unterricht.» Viele Eltern seien zuerst einmal erstaunt, wenn die Rechnung ins Haus flattere, «denn sie lassen ihre Kinder einfach mit den Gspänli mitlaufen». Auch wüssten einige nicht, dass die Kirche den Unterricht bezahle. Weil er oft in Schulräumen stattfinde, schrieben sie ihn auch der Schule zu. «Die meisten zahlen deshalb anstandslos», sagt Kormann.

Nicht auf Kosten anderer

Laut Markus Bernet, St. Galler Kirchenschreiber, kann Eltern, die aus der Kirche ausgetreten sind und trotzdem ihre Kinder am Religionsunterricht teilnehmen lassen, «ein gewisses Schmarotzertum nachgesagt werden». Die St. Galler Kirchgemeinden schrieben diesen Eltern in der Regel einen Brief, sagt er. «Ihr Kind soll auf jeden Fall weiter den Religionsunterricht besuchen können», heisst es darin, «aber damit es nicht auf Kosten von anderen geht, bitten wir Sie, einen Anteil zu übernehmen.» Weiter wird auch begründet, warum nicht einfach eine Rechnung versandt wird: «Wir könnten es uns einfach machen und Ihnen eine Rechnung schicken. Ein solches Vorgehen entspricht aber überhaupt nicht den Grundideen von Kirche.»

Aufwand lohnt sich nicht

In anderen Kantonen, etwa in Schaffhausen, Bern, Uri, Ob- und Nidwalden, verzichtet man dagegen grundsätzlich darauf, konfessionslosen Eltern den Unterricht in Rechnung zu stellen. Auch die Aargauer Reformierten sind grosszügig: «Uns ist wichtiger, diesen Kindern den christlichen Glauben und soziale Kompetenzen vermitteln zu können», sagt Frank Worbs, Sprecher der Aargauer Landeskirche.

Die Zürcher Kirche wiederum empfiehlt 400 Franken pro Kind, schaut aber jeweils von Fall zu Fall. «Die Verantwortung liegt bei den Gemeinden», sagt Katja Lehnert, Bereichsleiterin Katechetik und Bildung. Und in der reformierten Kirche Baselland sind viele Kirchgemeinden mittlerweile wieder davon abgekommen, den Besuch von konfessionslosen Kindern im Religionsunterricht zu verrechnen. «Diese Empfehlung ist längst überholt», sagt Kirchenrat Matthias Plattner. Das Eintreiben einer Gebühr sei «höchst schwierig» gewesen, Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis gestanden und die Kommunikation mit konfessionslosen Eltern habe sich mühsam gestaltet. Die neue Haltung der Kirche Baselland ist deshalb, den Religionsunterricht «wieder vermehrt als diakonischen Bildungsauftrag an allen Schulkindern zu verstehen».