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Illustration: Christine Rösch
Freitag, 30. August 2019

Bei jeder UN-Klimakonferenz gibt es ihn irgendwo: Versteckt in den Eingeweiden der Konferenzzentren, schlecht ausgeschildert, unmöbliert und meistens leer: den «Prayer Room».

Ein schmuckloses Zimmer, in dem die Delegierten sich sammeln können, ehe sie wieder einmal bei der Rettung der Welt versagen. Jedesmal, wenn ich an einem dieser Orte vorbei­komme, denke ich: «Da hilft nur noch Beten.»

Schön wär’s ja. Wer sich lange und intensiv mit Fragen der Ökologie beschäftigt, den kann allerdings schon mal die Verzweiflung packen. Wir roden die Wälder, vergiften die Meere, quälen die Tiere, rotten die Pflanzen aus und heizen den Planeten auf. Wir schaffen ungeahnten Reichtum für einen kleinen Teil der Menschen und ruinieren dafür die Natur und die Zukunft aller anderen Lebewesen. Und wir machen in diesem Zerstörungswerk einfach immer weiter, obwohl wir inzwischen sehr genau wissen, was wir da anrichten. Selbst innige Gebete halten das nicht auf.

Wie kann Gott das zulassen? Für mich als halbwegs gläubigen Christen ist das die falsche Frage. Gott beziehungsweise Göttin mit Gendersternchen hat auch zugelassen, dass die Menschen Atomwaffen entwickeln und ihre Mitmenschen verhungern lassen. Wer Gott für menschliche Dummheit und Gier verantwortlich macht, der rechtfertigt die schlimmste Hölle auf Erden. Gott fährt keinen SUV und schmeisst keine Plastiktüten in die Uferböschung.

Ihm oder ihr unsere Ökosünden aufzubürden ist absurd. Die «Freiheit eines Christenmenschen» – und jedes anderen Menschen –, von der Martin Luther spricht, beinhaltet auch die Freiheit, die Welt zu zerstören. Wir allein sind dafür verantwortlich. Wie geht man damit um? Man könnte sich an die christlichen Tugenden halten: Glaube, Liebe, Hoffnung. Und Wut.

Billiges Rohstofflager

Der Gott, an den ich zu glauben versuche, ist ein Meister des Lebens. Er will Trost, Frieden und Gerechtigkeit, keine Menschenopfer. Alle grossen Religionen stammen aus vorindustriellen, agrarischen Gesellschaften. Sauberes Wasser, fruchtbarer Boden, eine ausreichende Ernte waren für sie eine tägliche Notwendigkeit. Aber ob man an die biblischen Schöpfungsgeschichten oder die kalte Logik der Evolution glaubt, macht keinen gros­sen Unterschied. Wichtig sind das Staunen und die Ehrfurcht vor dem Leben. Wir haben kein Recht, es zugrunde zu richten. Ironischerweise hat erst die Aufklärung, von der Kirche lange bekämpft, uns die Mittel in die Hand gegeben, die Natur so gründlich auszuplündern. Und uns gleichzeitig erkennen lassen, wie gefährlich wir als Spezies für unsere eigene Erde sind.

Wer die Schöpfung bewahren will, kämpft gegen eine andere Religion: den ungebremsten Kapitalismus, der Mensch und Natur dem Zweck und dem Götzen Profit unterwirft. Er hat seine eigenen Dogmen, Kathedralen und Hohenpriester. Der «Schöpfergott» hat weitgehend seinen Einfluss auf unser Handeln verloren, weil der Mensch sich zum «Homo Deus» aufgeschwungen hat. Die Natur da draussen ist nicht mehr die Schöpfung eines allmächtigen Gottes, die wir zu verwalten haben. Sondern nur noch ein billiges Rohstofflager und eine Gratis-Müllhalde für unsere festen, flüssigen und gasförmigen Abfälle.

Dabei sind Glaube und Wissenschaft Verbündete, wenn es um die Bewahrung der Lebensgrundlagen geht: Nur durch die Forschung erkennen wir, welche Gefahren und Möglichkeiten vor uns liegen. Sie schafft erst die Bedingungen für die «Liebe», die Sorge um unsere Zukunft.

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