Sebastian Heindl muss den Teufel heraufbeschwören, und er tut es. Er kommandiert zehntausend Pfeifen, ein schwarzes Regiment. «Eine Nacht auf einem kahlen Berge» heisst das Stück, es malt eine wahnsinnige Hexennacht aus, die direkt der Hölle entquillt wie ein gelber Schwefeldampf. Auf vier Tastaturen, den Manualen, rasen Heindls Finger in schwer wahrnehmbarer Geschwindigkeit, beide Füsse, Hacke, Spitze, tanzen über die Pedale. Man wähnt sich in einer Kathedrale, in der eine schwarze Messe gelesen wird. Melodiefetzen verwandeln sich in Zaubersprüche, Tausende Töne flirren durch die Luft, sich von Minute zu Minute in Intensität und Rasanz steigernd.
Heindl lockt den Beelzebub aus dem Schattenreich und alle seine Kreaturen, der Auftritt wird zur Séance, ein schwindlig machender Irrsinn, pervertierte Choräle, sich überschlagende Rhythmen – und als es nicht mehr weitergeht, nicht mehr weitergehen kann, ertönt nach acht Minuten jäh eine fahle Glocke, wie eine kaputte Turmuhr. Die Musik bricht in sich zusammen, der Spuk ist vorbei, der Morgen tagt, und unten zerschellen die Gerippe auf dem harten Pflaster der echten Kirchenmusik, die nun einsetzt und alles in Frieden verklärt.
Die teuflische Eruption, anderthalb Jahre ist sie her, aber auf Youtube verewigt, war 40 000 Dollar wert und machte den damals 21jährigen Leipziger Sebastian Heindl zum ersten Europäer, der je den wichtigsten Orgelwettbewerb der Welt in den amerikanischen Longwood Gardens gewinnen konnte.
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