Zu Beginn der achtziger Jahre landete die US-amerikanische Rockband Chicago einen ihrer grössten Hits. Der Song erreichte in mehreren Ländern Platz 1 der Charts, und in den USA gehörte er 1982 zu den zehn meistgehörten. Er beginnt so:
Everybody needs a little time away
I heard her say
From each other
Even lovers need a holiday
Far away from each other
Wobei der Sänger das «other» mit schmelziger Stimme in die Länge zieht, «ooooother», wie einen Musik gewordenen Hefeteig, süss und schlicht und ideal zum Mitsingen. Oder um sich in der Eisdisco herzklopfend in die Augen zu schauen.
Das Lied heisst «Hard To Say I’m Sorry», was in etwa so viel bedeutet wie «Es fällt mir schwer, mich zu entschuldigen.» Wie schwer genau, merkt man, wenn man einmal die gesamten Lyrics durchliest. Denn eine Entschuldigung kommt nur in einer einzigen Zeile vor – «Hold me now, I really wanna tell you I’m sorry» –, und schwupps, ist sie auch schon wieder vorüber.
Den Rest des Songs verwenden Chicago darauf zu erzählen, dass der Protagonist es nicht ertragen könne, auch nur einen Tag (sic!) vom Körper (SIC!) seiner Angebeteten getrennt zu sein und dass er sie niemals gehen lassen wolle, nach allem, was sie bereits zusammen durchgemacht hätten. Eine diffuse Ankündigung, es wiedergutmachen zu wollen, gepaart mit fast schon bedrohlich wirkenden Komplimenten und der Erinnerung an gemeinsame Erlebnisse, um die Frau so richtig schön unter Druck zu setzen – ist das womöglich die schlechteste Entschuldigung der Musikgeschichte?
Aber, liebe Chicago-Fans, entspannt euch – es soll hier nicht darum gehen, euch den Song madig zu machen. Tatsächlich hat die Band nur ein wunderbares Beispiel dafür geliefert, was wir aus unserem eigenen Alltag kennen: dass es extrem schwierig ist, anständig um Entschuldigung zu bitten.
Das liegt zum einen daran, dass man sich vor einer Entschuldigung zuerst eingestehen muss, dass man einen Fehler gemacht hat, wie die Psychologin Imke Herrmann unlängst in der «ZEIT» erklärte. Je wichtiger der Bereich, in dem wir den Fehltritt begangen haben, für unser Selbstverständnis ist, desto schwerer fällt uns das. Zum anderen führt ein solcher Fehler oft zu Scham – und wer sich schämt, hat das Bedürfnis, sich zu verkriechen statt sich der Konfrontation zu stellen. Vor anderen wollen wir uns weder schwach noch mangelhaft zeigen.
Es ist menschlich, diesem Fluchtreflex nachgeben und sich ohne Entschuldigung aus unangenehmen Situationen herausmogeln zu wollen. Im Privaten gelingt uns das hin und wieder, auch wenn unsere Mitmenschen davon vielleicht wenig begeistert sind. Schwieriger wird es dagegen, wenn der Fauxpas in aller Öffentlichkeit geschehen ist, etwa einem Politiker oder einer Schauspielerin. Der Druck, der dann unter anderem in den sozialen Medien aufgebaut wird, macht ein «Sorry» oftmals unumgänglich. Doch nicht immer gelingt die Entschuldigung auch, wie unsere Beispiele zeigen. Ein «How (not) to» – unter anderem mit Sanna Marin, Will Smith und Friedrich Merz.
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