Zwei Männer mit demselben Vornamen: David. Sie nennen dasselbe Land ihre Heimat, Armenien. Und sie teilen einen Traum: die Besteigung des Ararat, des «heiligen Berges». Seit 1921 beansprucht die Türkei das Gebirge für sich, der Ararat ist für die armenische Seite abgeriegelt. Und doch ziert der heilige Berg bis heute das Nationalwappen Armeniens. Er hat sich tief eingeschrieben in das armenische Gedächtnis – und verbindet auch David und David.
Was die beiden Männer unterscheidet: Der Jüngere, David Alaverdyan, 45 Jahre alt, Chefredaktor einer Nachrichtenagentur in der Hauptstadt Erewan, durfte den Berg einmal besteigen, mit der Erlaubnis türkischer Behörden und nur in Begleitung von sieben Bergführern. Der Ältere, David Ayvazyan, 72 Jahre alt, ein pensionierter Kühlschrankreparateur, verbrachte sein Leben am Fusse des Berges und war doch nie oben. Er sagt, er wolle nicht sterben, ehe er auf dem Gipfel die armenische Flagge geschwenkt habe. Für diesen Traum will er keinen Umweg über die Türkei gehen müssen.
Vor dem Treffen kannten sich die beiden nicht. Im Garten des älteren David in Margara, einer Kleinstadt an der Grenze zur Türkei, entwickelte sich eine Unterhaltung über die Geschichte ihres Landes, den biblischen Mythos, wonach die Arche Noah im Ararat-Gebirge gestrandet sein soll, und den bisher unerfüllten Traum des älteren David. Zu Beginn des Gesprächs zitiert der ältere ein armenisches Sprichwort: «Morgen können wir den Ararat sehen, vielleicht.» Der junge David lacht. Er weiss genau, was der Ältere damit sagen will: Morgen soll der Ararat wieder zu Armenien gehören.
Dieser Inhalt ist für Abonnent:innen des bref Magazins sichtbar.
Jetzt abonnierenHaben Sie bereits ein Abo?