Herr Ruh, Sie haben kürzlich Ihre Autobiografie mit dem Titel Ich habe mich eingemischt veröffentlicht. Warum eigentlich «habe» — ist Ihnen die Lust am Einmischen abhanden gekommen?
Ganz und gar nicht. Die Begründung ist viel simpler: Wenn man eine Autobiografie schreibt, blickt man automatisch auf das zurück, was vergangen ist. Deswegen der Titel. Das heisst aber nicht, dass es heute keine Themen mehr gibt, die mich umtreiben.
Welche Themen sind das?
Ich arbeite derzeit an einem Buch namens Das Scheitern der Aufklärung. Darin will ich aufzeigen, wie es so weit kommen konnte, dass wir heute einen Trump an der Macht haben oder einen Erdogan. Dass in Polen die Verfassung ausgehebelt wird und in Ungarn die Pressefreiheit.
Was ist Ihre These?
Meiner Meinung nach rächt sich heute ein 200jähriges Versagen: Dass ein grosser Teil der Menschen nicht vorkommt im Hauptprogramm der westlichen Entwicklung. Die Aufklärung war sehr elitär. Intellektuell. Bürgerlich. Von ihren Filetstücken – Wahrheit, Gerechtigkeit, Rechtsstaat – haben die einfachen Menschen bis heute nichts. Oder zumindest haben sie das Gefühl, dass sie davon nichts haben. Und was fordern sie jetzt? Weg mit all dem Zeugs! Hinzu kommt, dass einem grossen Teil der Leute die Anerkennung fehlt. Sie kommen sich vor, als seien sie einen Dreck wert.
Und nun? Was tun mit dieser Erkenntnis?
Mit diesen Menschen zu reden, sie zu überzeugen versuchen, das bringt nichts. Das hat man zur Genüge probiert. Stattdessen muss man die sozialpsychologische Befindlichkeit der Leute verbessern. Hinzu kommen ökonomische Fragen: In den USA ist die finanzielle Lage vieler Menschen bereits prekär, und auch in der Schweiz wird das Problem in den kommenden Jahrzehnten drängender. Hier müssen wir ansetzen.
Was meinen Sie damit?
Ich habe mich jahrelang für das bedingungslose Grundeinkommen eingesetzt. Dazu stehe ich auch heute noch: Um die Schere zwischen Arm und Reich zu schliessen, müssen wir untendurch anständig decken, dann verträgt es gegen oben auch gewisse Ausschweifungen.
Sie sagten vorhin, die Aufklärung sei elitär, doch das gilt in gewissem Masse auch für die Ethik. Wie erklären Sie einem frustrierten Menschen, der sich abgehängt fühlt, warum er für das hochtheoretische Konstrukt des Grundeinkommens stimmen soll?
Ich muss vorausschicken, dass ich ein etwas anderes Modell verfolge als die konkrete Vorlage, über die wir 2016 abgestimmt haben. Die 2500 Franken pro Monat, die damals im Spiel waren, finde ich viel zu hoch; 1500 Franken wären realistischer. Davon abgesehen – ich finde das Grundeinkommen alles andere als hochtheoretisch. Ich habe mit vielen Menschen darüber gesprochen, und alle haben es sofort verstanden. Ich habe immer so angefangen: Auf diesem Planeten gibt es viele Geschenke. Zum Beispiel Wärme. Wer spendet die? Wer spendet Licht? Genau – der ganze Planet ist uns geschenkt! Also verteilen wir jetzt zuerst einmal diese Geschenke, bevor wir anfangen zu geschäften. Und das tun wir so, dass alle etwas davon haben.
Als Sozialethiker prägte Hans Ruh (85) während Jahrzehnten nicht nur die Kirche, sondern auch die Politik. So organisierte er etwa die interkonfessionelle Konferenz «Schweiz — Dritte Welt» von 1970 und war Gründungsmitglied der Erklärung von Bern, die heute als Public Eye bekannt ist. Von 1965 bis 1983 war er zunächst theologischer Mitarbeiter, anschliessend Leiter des Instituts für Sozialethik des Kirchenbundes. Zudem lehrte er an den Universitäten Bern und Zürich sowie an der ETH.
Aufgewachsen ist Ruh in Altdorf, einem kleinen Dorf am nördlichsten Zipfel des Kantons Schaffhausen. Nach dem Studium in Zürich, Bonn und Basel dissertierte er bei Karl Barth. Sein Doktorvater war massgeblich daran beteiligt, dass er später eine Stelle bei der Gossner Mission in Ostberlin antrat. Ein anderes Jobangebot soll Barth mit den Worten quittiert haben, dafür habe Ruh wohl kaum bei ihm seine Dissertation geschrieben. vbu
Sie sind ein Vertreter der politischen Kirche und haben in ihrem Namen zahlreiche Themen auf die Agenda gesetzt. Welche Rolle soll der Kirche in dieser Debatte zukommen?
Ich glaube nicht, dass die Kirche überhaupt noch die Macht hat, eine politische Debatte zu prägen. Zum einen hat sie dafür gar nicht mehr die nötigen Ressourcen. Zum anderen sehe ich hier aber auch eine positive Entwicklung: Vieles von dem, was die Kirche früher an ethischen Standpunkten vertreten hat, ist heute umgesetzt oder zumindest von einem grossen Teil der Gesellschaft akzeptiert. So gab es zum Beispiel schon in den sechziger Jahren eine kirchliche Kommission, deren Ideen zur Raumplanung bis in die Bundesverfassung gelangt sind. Da geht es der Kirche wie mit der Sozialdiakonie: Die war am Ende so gut, dass sie quasi vom Staat übernommen wurde, in Form von Versicherung, Altersvorsorge, Sozialhilfe.
Dennoch wünschen sich gerade Vertreter Ihrer Generation, dass die Kirche wieder so politisch wird wie zu Zeiten des Kalten Krieges.
Die Kirche kann das gar nicht. Und darüber müssen wir auch nicht jammern. Früher war eine andere Zeit und die ist jetzt einfach vorbei. Das ist in einem gewissen Sinn auch die Fortsetzung der Aufklärung: Wir Menschen haben heute viel mehr das Gefühl «ich kann entscheiden, ich will wissen, ich muss es erkennen und ich sage, ob es stimmt». Das hat auch dazu beigetragen, dass der Grundinhalt der Kirche diskutabel geworden ist.
Was ist der Grundinhalt?
Der liebe Gott regiert die Welt. Dieser Kern war früher unantastbar. Auch für mich: Meine ganze Friedensarbeit basiert darauf. Heute würde ich sagen … dieser Gott … wo ist er? Kann er überhaupt etwas?
Das klingt, als wären Sie vom Glauben abgekommen.
Von einem Glauben im orthodoxen Sinn, ja. Zu Beginn heisst mein Glaube: Wir sind so klein und so unbedeutend und das Geheimnis der Welt ist so gewaltig, da bleiben nur Staunen und Respekt. Ich kann zwar nicht an einen allmächtigen Gott glauben, wohl aber an einen Gott der Liebe. Gott ist überall, wo Liebe, Wahrheit, Versöhnung, Freiheit ist, aber er ist auch dort, wo Leiden ist. Für mich ist Gott ein liebender und ein leidender Gott. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass er tatenlos dabei zuschaut, was in Syrien passiert. Ich kann es einfach nicht.
Die Theodizeefrage.
Da gibt es natürlich alle möglichen intellektuellen Turnübungen dazu. Aber was, wenn wir einfach akzeptieren, dass Gott ein schwacher Gott ist? Ich habe versucht, das am Schluss meiner Autobiografie zu formulieren: Im Leiden vereinigen wir uns mit Gott und werden – vielleicht – gemeinsam stark. Das ist mein Glaubensbekenntnis.
Gerade nach dem Zweiten Weltkrieg, nach Auschwitz, wurde die Theodizeefrage stark diskutiert. Warum nahmen Sie sie damals anders wahr als heute?
Ich war viel stärker beeinflusst von den damaligen theologischen Grössen wie etwa Karl Barth. Ich fand, die wichtigste Aufgabe der Kirche sei die sogenannte Sekundärebene – Mitmenschlichkeit, Solidarität, Frieden. Vielleicht habe ich mir zu wenig dabei überlegt, aber ich habe einfach vorausgesetzt, dass der liebe Gott die Menschen versöhnen und den Armen helfen will. Und dass er am Werk zum Frieden ist und mich dabei als Knecht gebrauchen kann. Erst mit der Zeit kamen die Zweifel. Auch vor dem Hintergrund der heutigen Krise der Kirche, die wir natürlich alle immer überspielt haben und auch heute noch überspielen. Dabei müsste die Kirche genau das Gegenteil tun.
Was heisst das konkret?
Das traditionelle Glaubensbekenntnis von Nicäa beginnt ja mit den Worten «Ich glaube an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren». Ich anerkenne, dass dieser Text einmal wichtig war, doch ich finde, dass man die Glaubensinhalte neu interpretieren, in einen neuen Kontext stellen muss. Da müsste die Kirche ansetzen: Statt mit allen möglichen Marketingmethoden die Menschen in die Kirche versuchen zurückzuholen, wäre es doch viel gescheiter, zusammen zu meditieren und so zu einem neuen Glaubensbekenntnis zu kommen. Ein Bekenntnis, dass die Sekundärebene stärkt, denn die darf nicht auch noch ins Rutschen geraten. Ich bin im übrigen nicht der einzige, der das fordert. Frau Sölle zum Beispiel war auf dieser Spur. Oder die ehemalige Zürcher Kirchenrätin Irene Gysel, die auch die ökumenische Frauenbewegung mitbegründet hat. Es gibt diese Ansätze, aber wir sind noch nicht weit damit gekommen.
Setzen Sie da Hoffnung in die jüngere Generation von Pfarrerinnen und Theologen?
Was machen die denn? Tiergottesdienste!
So schlimm?
Ich übertreibe natürlich ein bisschen. Aber ich sehe schon viel Allotria – also alles, was die Menschen vom Eigentlichen ablenkt. All diese verschiedenen Arten, wie man die Menschen anlocken will, jetzt gerade zum Beispiel diese Suppen mit Buchstaben und Fideli von Zwingli … das ist doch Chabis.
Und stattdessen? Was tun?
Entweder sich intellektuell anstrengen, bis man nicht mehr kann, und wenn man nichts herausbringt, zugeben, dass man nichts herausbringt. Oder dann offenlegen, wie man sich fühlt. Ich glaube ja, das was ich erzähle, kommt vielen Menschen bekannt vor. Viele Menschen spüren diesen allmächtigen Gott, den die Kirche noch immer predigt, nicht mehr. Nun könnte man ja zusammen weitersuchen, und da gäbe es sicher jüngere Leute, die tolle Ideen und Gedanken dazu hätten. Das allerdings müsste man frontal angehen und nicht überdecken mit Plausch.
Gehen Sie selbst eigentlich noch zur Kirche?
Ja. Aber sehr ausgewählt. In Zürich arbeiten viele Pfarrer, die bei mir doktoriert haben. Ihnen zum Beispiel höre ich hin und wieder zu.
Sie haben erwähnt, welch starken Einfluss Karl Barth auf Sie hatte. Was macht für Sie persönlich seine Faszination, seine Bedeutung aus?
Er war derart intellektuell bestückt, dass es geradezu unheimlich war. Vermutlich war er der intelligenteste Mensch, der mir je begegnet ist: Er hatte eine rasche Auffassungsgabe und erwischte immer sofort den richtigen Punkt. Und dann war da natürlich seine theologische Vision. Stellen Sie sich mal vor, da kommt einer und sagt: Die eigentliche Weltgeschichte ist die Liebe des Vaters zum Sohn im Heiligen Geist. Er hatte die Vision von einer ganz anderen Wirklichkeit.
Das klingt schwer fassbar. Was heisst «andere Wirklichkeit»?
Bei Barth war das positiv konnotiert, eine Geschichte der Liebe und der Freiheit. Das ging für ihn bis in die Tagespolitik. So sagte er etwa, dass der Gegensatz zwischen Ost und West gar kein Gegensatz sei. Die eigentliche Wirklichkeit sei eine Einheit und was die beiden Seiten täten, sei im Grunde genommen vernachlässigbar. Das Dumme daran war nur, dass wir in der sogenannten Epiwirklichkeit des Kalten Krieges ziemlich real hätten umkommen können (lacht).
Aber was ist denn das Wahre, die wahre Wirklichkeit? Was ist das, was zählt?
In der Wirklichkeit sind wir befreit und versöhnt und können mit allen Frieden schliessen. Wir müssen es nur tun. Wir müssen das machen, was eigentlich schon ist, müssen versuchen, die Wirklichkeit zu uns heranzuholen. Das ist natürlich faszinierend. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf habe ich auch die Stelle in der Gossner Mission in Berlin angetreten.
In dieser Funktion vermittelten Sie zwischen Ost und West, mussten regelmässig die Grenze überqueren, wurden gefilzt. Was nützte Ihnen da der Gedanke, dass das nicht die wahre Wirklichkeit ist?
Ich glaubte damals, ich würde das alles im Dienst einer höheren Wirklichkeit tun, würde als Agent arbeiten, der versucht, diese Wirklichkeit heranzuholen. Noch heute würde ich den Gedanken nicht ganz aufgeben. Ich würde ihn aber relativieren: Barths Vision ist zu verrückt. Sie ist zu weit weg vom Alltag der Menschen und auch ein wenig elitär. Wenn einer kämpfen muss in seinem Leben und dann kommt der Barth daher und sagt, dass die eigentliche Wirklichkeit die Liebe Gottes ist, da fühlt der sich doch vorgeführt.
Neben Barth erwähnen Sie in Ihrer Biografie noch andere Einflüsse, die für Ihren späteren Weg entscheidend waren. So sind Sie zum Beispiel in einem streng pietistischen Haushalt aufgewachsen.
Das hat mich natürlich sehr geprägt. Ernsthaft leben, viel arbeiten, viel leiden, Dinge durchstehen. Spielen war verboten, Jassen war des Teufels. Ausserdem gab es in unserer Familie viel Streit, auch zwischen den Eltern. Mein Vater war – obwohl er auch eine liebevolle Seite hatte – sehr streng, es gab Schläge und stundenlanges In-der-Ecke-Stehen. Und weil er der Dorflehrer war, musste ich in der Schule das ausbaden, was zuhause passiert war, und zuhause das, was in der Schule geschehen war.
Wie hat Sie das beeinflusst?
Ich diagnostiziere bei mir eine gewisse Ich-Schwäche. Ich mag keine Konflikte und versuche immer auszugleichen, wenn es irgendwo Streit gibt. Und wenn ich selber involviert bin, habe ich Mühe, für mich einzustehen. Ich führe das auf diese frühkindlichen Erlebnisse zurück. Aber offenbar habe ich die Geschichte irgendwie überstanden.
Damals war es noch etwas Neues, dass die Kirche politisiert, und es hat die Leute wahnsinnig aufgeregt. Das war nicht nur schön für mich.
Es ist ja lustig, wir waren fünf Kinder: Mein einer Bruder wurde Professor für Mathematik und Agnostiker, der will gar nichts mehr wissen vom lieben Gott, und der andere hat eine katholische Mexikanerin geheiratet, konvertierte und geht bis heute jeden Sonntag in die Messe. Meine eine Schwester wurde Pfarramtssekretärin, und die andere heiratete einen Abt und Mönch.
Ich nenne das religiöses Museum. Keiner von uns konnte also raus aus dieser Prägung, die wir von zuhause hatten. Aber wir haben unterschiedliche Arten gefunden, damit umzugehen.
Sie studierten Theologie.
Genau. Dass ich so aufgewachsen bin, hat mich zumindest neugierig gemacht für theologische Inhalte. Später kamen natürlich weitere Einflüsse dazu, etwa in Gestalt von Pfarrer Blocher, der ein wichtiger Mentor für mich war.
Sie sprechen von Wolfram Blocher, dem Vater von Christoph und Gerhard Blocher. Was hat Sie an ihm fasziniert?
Die herausfordernden Diskussionen. Ich war damals eng mit Gerhard befreundet und deshalb viel im Haus von Blochers zu Besuch. Der Vater warf uns immer Problemstellungen hin und wir mussten einfach mitten reinspringen und diskutieren. Immer weit über unserem Niveau. Er war hochintelligent, ein Intellektueller, und als intellektueller Theologe hat er mich fasziniert. Auch die Freundschaft mit Gerhard Blocher war natürlich sehr prägend. Wir haben das ganze Studium zusammen verbracht, in Bonn teilten wir uns sogar ein Doppelbett. Erst später haben wir uns entfremdet.
Hand aufs Herz: Wie entscheidend war die Tatsache, dass Sie damals als Theologe eben auch politisch aktiv sein konnten?
Ich sage es mal selbstkritisch: Die Kirche hat mir ein Stück weit auch ein Podium geboten. Das war allerdings nicht nur schön. Damals war das noch etwas Neues, dass die Kirche politisiert, und es hat die Leute wahnsinnig aufgeregt. Viele schrieben schlimme Sachen über mich. Mein Nachbar zum Beispiel war Redaktor bei den Basler Nachrichten, und der machte mich fertig auf der ersten Seite. Aber ja, es stimmt, dank der politischen Tätigkeit der Kirche bin ich immer wieder an interessante Entscheidungsträger geraten.
Später setzten Sie sich neben der Friedensarbeit vor allem für eine ethische Marktwirtschaft ein. Schaut man sich jedoch aktuelle Entwicklungen an — etwa die kürzlich bekannt gewordenen Offshore-Geschäfte der reichen Elite oder das globale Gefälle zwischen Nord und Süd —, scheinen wir davon weit entfernt zu sein. Finden Sie das frustrierend?
Obwohl ich die angesprochene Ungleichheit inakzeptabel finde, fällt meine Bilanz nicht ganz so negativ aus. Nehmen wir die Wirtschaftsethik: Als ich angefangen habe, gab es diesen Begriff noch gar nicht. Heute haben wir immerhin die Ethos-Stiftung oder Actares, eine Organisation von Aktionären, die sich für ein nachhaltiges Wirtschaften einsetzen. Wir haben auch viele Instrumente zur Verhinderung einer Weltwirtschaftskrise, die wir früher nicht hatten.
Ärgert es Sie nicht, wenn sich Unternehmen und reiche Einzelpersonen mit Steuertricks aus dem ethischen Wirtschaften verabschieden?
Doch – aber es gibt auch andere Beispiele, gerade bei den KMU. Und was nützt es, wenn ich klage über das, was nicht gut ist? Ich setze mich stattdessen für neue Lösungen ein. Ob diese wirken oder nicht, liegt nicht in meiner Hand.
Ist es Ihnen egal, ob sie wirken oder nicht?
Das nicht, aber ich mache mich doch nur kaputt, wenn ich mir diese Frage stelle. Und wenn ich einen halben Tag jammere, habe ich schon einen halben Tag lang nichts gemacht.
Das ist vielleicht das Schöne am Älterwerden: Mir wird je länger, desto klarer, dass alles, was ich denke, völlig irrelevant sein könnte. Das lässt mich bescheiden werden. Fröhlich und bescheiden. Hans Ruh
Hatten Sie nie das Gefühl, dass das, was Sie an ethischen Wirtschaftstheorien aufgestellt haben, für die Katz war?
Nein. Das sind vermutlich noch die Relikte der Barthschen Allmachtsgläubigkeit. Und vielleicht ist das auch das Schöne am Älterwerden: Mir wird je länger, desto klarer, dass alles, was ich denke, völlig irrelevant sein könnte. Die Chance dafür ist sogar ziemlich gross – und das lässt mich bescheiden werden. Fröhlich und bescheiden.
Hans Ruh: Ich habe mich eingemischt. Autobiografische Notizen. Ein Buch der Reihe allerArt, Versus, Zürich 2017; 186 Seiten; 27,90 Franken.
Vanessa Buff ist stellvertretende Redaktionsleiterin bei bref.
Die Fotografin Désirée Good lebt in Zürich.