Proust

Nora Gomringer 36, Schriftstellerin

Die Lyrikerin Nora Gomringer ist Gewinnerin des Ingeborg-Bachmann-Preises 2015 und Direktorin des internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg (DE). Mit dem Schlagzeuger Philipp Scholz tritt sie gegenwärtig mit dem Programm «Peng! Du bist tot» auf Bühnen im In- und Ausland auf.
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Autorin: Nora Gomringer
Bild: ZVG
Freitag, 27. Mai 2016

Was ist für Sie das grösste Unglück?

Härte und Kälte.

Wo möchten Sie leben?

Wo die Lieben nahe sind. Wo man die Raumtemperatur regulieren kann. Wo ein Buchladen mit Liebe geführt wird. Gerne immer da, wo es einen Markt für frisches Obst und Gemüse gibt.

Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?

Schmerzfreiheit, finanzielle und emotionale Unabhängigkeit und Crèmeschnitten.

Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?

Fehler, die beinahe entstanden wären durch ein Zögern ihres Verursachers.

Ihre liebsten Romanhelden?

Die Mumins.

Ihre Lieblingsheldinnen in der Wirklichkeit?

Mütter behinderter Kinder. Mütter mit geistiger oder körperlicher Einschränkung.

Ihre Lieblingsheldinnen in der Dichtung?

Anne Sullivan Macy. Die Lehrerin von Helen Keller. Marmee March aus Little Women.

Ihr Lieblingsmaler?

Günter Frutrunk.

Ihr Lieblingskomponist?

Thomas Newman. Die Beastie Boys. Daft Punk.

Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Mann am meisten?

Humor, Neugierde, Grosszügigkeit.

Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einer Frau am meisten?

Humor.

Ihre Lieblingstugend?

Wohlwollen.

Ihre Lieblingsbeschäftigung?

Netflix.

Wer oder was hätten Sie sein mögen?

Ärztin, Choreografin.

Ihr Hauptcharakterzug?

Vertieftheit.

Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten?

Bildung, Geduld, Güte.

Ihr grösster Fehler?

Ungeduld und Eifersucht.

Ihr Traum vom Glück?

Wahrnehmung.

Was wäre für Sie das grösste Unglück?

Die Welt vorzeitig aufgeben zu müssen.

Was möchten Sie sein?

Eine Entdeckte, eine Entdeckerin.

Ihre Lieblingsfarbe?

Ich mag Grau mit Neonfarben in Kontrast. Sonst Blau.

Ihre Lieblingsblume?

Eine im Feld, auf der Wiese. Ich mag Moos und Bäume.

Ihr Lieblingsvogel?

Enten reden zu viel. Ich mag den Kuckuck. Er imponiert mir. Unverfroren ist der.

Ihr Lieblingsschriftsteller?

Amerikanisch, oft männlich, verschiedene Genres.

Ihr Lieblingslyriker?

Ich mag Charles Simic, Walt Whitman, mag Thomas Kunst, Dorothy Parker, Mascha Kaléko, Barbara Hundegger, Ulrich Koch, Thomas Bernhard. Zu viele Männer, eindeutig.

Ihre Helden in der Wirklichkeit?

Väter behinderter Kinder. Künstlerinnen und Künstler, die als solche tätig sind. Intensivpfleger.

Ihre Heldinnen in der Geschichte?

Mütter, so viele Mütter.

Ihre Lieblingsnamen?

Aron, Victor, Magnus, Afra, Meta, Alice.

Was verabscheuen Sie am meisten?

Gewalt am Ich. Im Gespräch einen Belehrungston. Käse.

Welche geschichtlichen Gestalten verachten Sie am meisten?

Die, die mehr nahmen als gaben.

Welche militärischen Leistungen bewundern Sie am meisten?

Die Erziehung der Männer. Willy Brandts Kniefall. Eine zivilpolitische Geste von immenser militärhistorischer Bedeutung.

Welche Reform bewundern Sie am meisten?

Von der Abschrift zum Buchdruck, vom Buchdruck zum E-Reader: der Umgang der Menschheit mit Textgut.

Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?

Nähen können.

Wie möchten Sie sterben?

Ohne Angst, rasch und noch einmal maniküriert.

Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?

Gefasst und mitteilsam.

Ihr Motto?

Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

Der französische Schriftsteller Marcel Proust (1871–1922) antwortete in der Zeit der Pariser Salons gleich zweimal auf diese Fragen – einmal als 14jähriger, dann noch einmal mit 20. Der Fragebogen gilt als Herausforderung an Geist und Witz und stellt bis heute die grossen Fragen des Lebens.

  • N° 10/2016

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