«Der Advent ist eine dunkle Zeit. Da will ich kein Licht.» So sprach 2016 der resolute Pfarrer einer kleinen Gemeinde am Niederrhein und schaltete die gesamte Beleuchtung seiner Kirche aus. Das Zentrum des Ortes war nun in ungewohnte Finsternis gehüllt. Die Bürgerschaft wiederum war empört, hatten sie doch gerade erst ihre Häuser und Gärten mit vorweihnachtlicher Deko in ein Lichtermeer verwandelt. Der Gottesmann polemisierte weiter: «Wenn ich überall diese Beleuchtungen sehe, da muss man doch meinen, wir feiern das Fest der blinkenden Hirsche.»
Das Ereignis fand seinen Weg in die Zeitungen. Und die Meinungen waren gemacht: Dieser Pfarrer, ein Advents-Stimmungskiller! Dabei lag er theologisch völlig richtig. Lichterkitsch zur Adventszeit überblendet die eigentliche Bedeutung des Lichts. Früher gar eine Fastenzeit, steht der Advent für die Wartezeit auf die Geburt des Christuskindes. Wenn es das Licht der Welt erblickt, wird es hell in den Seelen. Aber eben nicht davor.
Der Dunkelheit kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Sie liefert die Folie, vor der man sich der theologischen Tragweiten des Lichtes überhaupt erst bewusst werden kann. An keinem anderen Gegenstand lässt sich unser langsames Vortasten zum Licht der Welt deutlicher zeigen als am Adventskranz. Je mehr wir uns dem Datum nähern, desto mehr Kerzen werden angezündet. Es braucht diese Dunkelheit: Denn eine brennende Kerze am helllichten Tag spendet lediglich Wärme.
Kann es sein, dass wir der Dunkelheit zu wenig Raum lassen? In unserem aufklärerischen Drang, alles bis in den hintersten Winkel ausleuchten zu wollen, empfinden wir die Finsternis als etwas Defizitäres, als eine Sphäre gar, in der Kontrollverlust droht. Viele spirituelle Sinnanbieter und Mentalitätstrainer versprechen uns eine helle Zukunft – unter der Bedingung, dass wir uns den dunklen Flecken unserer Erinnerung stellen. Damit führen sie uns aber schon hinters Licht. Und profitieren vom Dogma unserer Gesellschaft, dass das Düstere im Gemüt, die Schatten auf der Seele lediglich Krankheitssymptome sind und somit heilbar. Das Dunkle muss unbedingt therapiert werden.
Wer aber die Dunkelheit nicht erspürt hat, kann das Licht als Quelle nicht schätzen. Beide Pole bedingen einander, zwischen ihnen die Sphäre des Geheimnisses und der Erkenntnis. Jeder Optiker weiss es: Das offene Auge kommt im Dunklen zur Ruhe, der Sehnerv kann sich entspannen. Im Dunkeln schärfen sich die übrigen Sinne. Blickt man länger in die Nacht, lassen sich nach und nach Konturen, dann Strukturen erkennen. So ist es auch im Advent. Die Geburt des Kindes lässt sich erst erahnen.
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