Überschätzt – Unterschätzt

Ewiges Leben

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Freitag, 11. Februar 2022

Fragen Sie Menschen in ihren Neunzigern, ob sie ewig leben möchten, antworten sie nicht selten, dass ihre müden Augen genug gesehen haben. Ewigkeit lässt sich in unserer beschränkten irdischen Zeit- und Raumvorstellung ohnehin nicht fassen. In der Alltagssprache hat das Wort gar einen negativen Beiklang: «Ewig macht er die gleichen Fehler, nie lernt er etwas dazu.» Bei einer solchen Wiederholung des Immergleichen spricht der Philosoph Hegel von einer «schlechten Unendlichkeit».

Ewiges Leben lässt sich demnach nur als Heilskonstruktion verstehen. Erlösung bedeutet die Loslösung von den Gesetzmässigkeiten, die unser Leben auf Erden bestimmten. In einem solchen Heilszustand waren wir laut der Bibel schon einmal, als Adam und Eva noch als Gottes untadelige Geschöpfe im Garten Eden wandelten. Was verleitete das Paar bloss dazu, von der verbotenen Frucht am Baum der Erkenntnis zu essen?

Seit dem Rauswurf aus dem Garten Eden essen wir unser Brot im Schweisse unseres Angesichts. Seither streben laut den alten Quellen die frommen Juden mit Worten und Taten danach, Gerechte zu werden. Gemäss dem talmudischen Satz: «Wer ein einziges Menschenleben rettet, der rettet die ganze Welt.» Nicht ein ewiges Leben im Himmelreich ist also mehr das Ziel frommen Bestrebens, sondern von Gott in sein «Buch des Lebens» eingeschrieben zu werden. Bis dieses Buch besiegelt wird, hat der Mensch die Möglichkeit, ein wohlgefälliger zu werden. Verspielt er diese Chance, wird sein Name aus Gottes Gedächtnis gelöscht. Etwas Schlimmeres gibt es im Judentum nicht.

Im Neuen Testament aber stellt Jesus den sündhaften Menschen dann das ewige Leben wieder in Aussicht: «Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.» So steht es bei Johannes, Kapitel 13, Vers 7.

Jahrhundertelang vertrösteten macht­-besessene Kirchenvertreter mit der Pervertierung dieser Heilsbotschaft alle geschundenen Menschen auf ein besseres Leben nach dem Tod.

Mit zunehmender Entfremdung von der christlichen Heilsbotschaft schwindet auch der Glaube an ein Leben nach dem Tod. So manche klammern sich an jede lebensverlängernde Massnahme als Ersatz. Altern wollen sie auf gar keinen Fall, alt werden aber schon. Am besten: fit in den Tod. Im Psalm 39,4 steht wohl der treffendste Satz zu diesem Thema: «Lehre mich doch, dass es ein Ende mit mir haben muss und mein Leben ein Ziel hat und ich davon muss.» Ist diese Erkenntnis nicht tröstlich?

  • N° 1/2022

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