Proust

Evelyne Binsack 50, Bergsteigerin

Evelyne Binsack ist Bergsteigerin. Als erster Schweizer Frau glückte ihr die Besteigung des Mount Everest. Einem breiteren Publikum bekannt wurde sie durch ihre zwei Touren an den Nord- sowie an den Südpol; weite Strecken legte sie dabei zu Fuss, mit dem Fahrrad, mit Ski oder Schlitten zurück.
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Autorin: Evelyne Binsack
Freitag, 09. Juni 2017

Was wäre für Sie das grösste Unglück?

Keine freien Entscheide mehr fällen zu können und nicht mehr fähig zu sein, in meine geliebten Berge zu gehen.

Wo möchten Sie leben?

Genau da, wo ich bin.

Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?

Jene unscheinbar scheinenden Momente im Leben, die dennoch tiefe Abdrücke in die Seele zeichnen.

Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?

Sachschaden.

Ihre liebsten Romanhelden?

Ich habe keine Romanhelden. Ich bin im Sternzeichen Stier geboren und tauge nicht für Träumereien.

Ihre Lieblingsheldinnen in der Wirklichkeit?

Menschen, die guttun. Die Gutes in sich tragen und Gutes zum Ausdruck bringen.

Ihr Lieblingsmaler?

Ich habe ein Lieblingsbild: Der Sonnenuntergang, der jene Felswände in goldenes Licht verwandelt, die ich während des Tages hinaufgeklettert bin.

Ihr Lieblingskomponist?

Vogelgezwitscher frühmorgens. Bachrauschen. Der Wind, der durch die Tannen singt.

Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Mann am meisten?

Was nützt eine einzelne Eigenschaft, wenn die Gesamthaltung nicht stimmt?

Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einer Frau am meisten?

Mit meinen Freundinnen lache ich viel. Freude ist eine ansteckende Eigenschaft.

Ihre Lieblingstugend?

Herzlichkeit.

Ihre Lieblingsbeschäftigung?

Bergsteigen; meine Berufung. Vorträge halten; Berufung weitergeben.

Wer oder was hätten Sie sein mögen?

Ich bin ich. Das genügt.

Ihr Hauptcharakterzug?

Ich kann sehr gut Träume in die Realität bringen. Dazu braucht es Ausdauer und Durchhaltevermögen. Darin bin ich wirklich gut.

Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten?

Offenheit und Ehrlichkeit. Humor und Lebensfreude.

Ihr grösster Fehler?

Welcher Fehler?

Ihr Traum vom Glück?

Ich träume nicht. Glück hat direkt etwas mit mir zu tun. Mit meinem Denken, meinem Fühlen und meinem Handeln.

Was möchten Sie sein?

Wenn nicht Mensch, dann eine Alpendohle.

Ihre Lieblingsfarbe?

Naturbelassen.

Ihre Lieblingsblume?

Die, der ich begegne, wenn ich mehrere Wochen auf Expedition war und vom Himalaya, von der Arktis oder der Antarktis zurück in die Vegetation komme.

Ihr Lieblingsvogel?

Alle Vögel, die singen, wenn ich erwache.

Die wichtigste Erfindung der letzten hundert Jahre?

Die Abschaffung der «ehelichen Pflicht» für Frauen.

Ihr Lieblingsschriftsteller?

Ich lese Sachbücher und ab und zu eine Biografie. Da wechsle ich aber gerne die Autoren!

Ihre Helden in der Wirklichkeit?

Mütter sind wahre Heldinnen. Sie führen uns von der Geburt durchs ganze Leben. Das tun auch die Väter, wenn sie nicht zu viel arbeiten.

Ihre Heldinnen in der Geschichte?

Jede ist eine Heldin, die den Antagonisten besiegt.

Ihre liebste Filmfigur?

Ich habe keinen Fernseher und Kino ist spätabends, wenn ich die Lichter lösche. Da wird es schwierig, eine liebste Filmfigur zu definieren.

Ihre Lieblingsnamen?

O statt A. Ich meine Lieblingsnomen statt Lieblingsnamen: Freiheit.

Was verabscheuen Sie am meisten?

Unehrlichkeit in allen Nuancen, jeder Ausprägung und Vielfalt.

Welche geschichtlichen Gestalten verachten Sie am meisten?

Warum sollte ich auf jemanden Hass üben, dem ich nie persönlich begegnet bin und dessen Handlungen ich nicht nachvollziehen kann?

Welche militärischen Leistungen bewundern Sie am meisten?

Alle Bemühungen, die Frieden ohne Krieg erreichten.

Glauben Sie, Gott ist eine Erfindung des Menschen?

Gott hat sich selbst erfunden.

Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?

Geduld.

Wie möchten Sie sterben?

Schnell, schmerzlos und in einem Moment des Glücks.

Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?

Wach.

Ihr Motto?

Immer schön wach bleiben. Ausser ich will schlafen.

Der französische Schriftsteller Marcel Proust (1871—1922) antwortete in der Zeit der Pariser Salons gleich zweimal auf diese Fragen — einmal als 14jähriger, dann noch einmal mit 20. Der Fragebogen gilt als Herausforderung an Geist und Witz und stellt bis heute die grossen Fragen des Lebens.

  • N° 10/2017

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