Überschätzt – Unterschätzt

Der Teufel

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Mittwoch, 20. April 2022

In diesen Tagen könnte man versucht sein, den Kriegsterror in der Ukraine dem Teufel höchstpersönlich zuzuschreiben. Wladimir Putin verkörpert das Böse ja gerade mit einer solchen Konsequenz, dass das schon fast bilderbuchartig wirkt. So einfach würde es uns der vielgestaltige Fürst der Finsternis, der Teufel, aber nicht machen, wenn es ihn denn in der personifizierten Form gäbe. Das Teuflische an der Sache ist, dass wir uns mit den vermaledeiten Widersprüchen auseinandersetzen müssen, die Gut und Böse in sich tragen. Sie bedingen sich wechselseitig.

Wie paradiesisch wäre es, wenn sich Gut und Böse in einem chemischen Trennverfahren wie das Öl vom Wasser klar scheiden liessen. Aber nicht umsonst wird der Teufel auch « diabolos » genannt, der grosse Durcheinander-Würfler. Keinen Stein unseres Wertegebäudes lässt er auf dem anderen. Deshalb müssen wir das Böse, das wie das Gute tief in uns veranlagt ist, nach aussen verlagern und ihm Gestalt verleihen. Erst wenn ein schemenhaftes Grauen Kontur gewinnt, können wir sein wahres Ausmass abschätzen und es wenn schon nicht besiegen, doch wenigstens bannen. All diese verniedlichten Teufelsfiguren, wie sie uns als wasserspeiende Dämonen an gotischen Kathedralen oder in den Märchenbüchern begegnen, haben für uns also etwas Entlastendes.

Über den Ursprung des Teufels gibt es viele Mythen. Alle Kulturen kennen die Polarität von Licht und Finsternis, Wachstum und Zerstörung. In der Kirchengeschichte wurde der Teufel mit dem gefallenen Engel Luzifer gleichgesetzt. Luzifer heisst Lichtträger – als er gegen Gott eine Rebellion anzettelte, wurde er aus dem Himmel verstossen. Ihm haben wir jedoch das Licht der Erkenntnis und die Lust aufeinander zu verdanken. Und wer wollte schon auf beides verzichten ?

Wir hätten sonst im Garten Eden bis in alle Ewigkeit unsere Tage ohne Zeitmessung verdämmert, wenn die Schlange im Paradies uns Menschen nicht versucht hätte. Das begründet wohl auch unsere Faszination für das Böse.

Hinter all dieser Anziehung und Abstossung bleibt die bedrohliche Frage : Ist das Böse seit Anbeginn in der Welt und lauert es nur auf den Moment, wo es losschlagen kann ? Oder entsteht es erst im Aggressionsmodus zwischen Menschen ? Es gehört zu den vielen Bosheiten des Bösen, dass wir sein Wesen nicht ergründen können. Wir haben es hier mit einem Meister der Verstellung zu tun. Glauben wir sein wahres Gesicht zu erkennen, täuscht er uns mit neuen Maskeraden. Der Teufel, wie er uns vorschwebt, ist nur ein billiges Abziehbild unserer menschlichen Verfehlungen. Zum Teufel mit ihm. Oder ins Kasperlitheater.

  • N° 3/2022

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