Die Seite wurde Ihrer Lesezeichenseite hinzugefügt. Klicken Sie auf das Menüsymbol, um alle Ihre Lesezeichen anzuzeigen. Die Seite wurde von Ihrer Lesezeichenseite entfernt.
Autorin: Silke Weber
Freitag, 11. August 2023

Sie hätten die Scheinwerferkegel eines Bootes gesehen, werden später jene aussagen, die überlebten. Und dass sie dachten, sie seien gerettet. Aber das Boot hätte wieder abgedreht.

In der Nacht vom 7. auf den 8. November 2020 ging bei der griechischen Küstenwache um 0.06 Uhr ein Notruf ein, so viel ist unstrittig. Ein Boot im Seegebiet nordöstlich der Insel Samos war gesichtet worden. Auf diesem Boot: 25 Geflüchtete.

Aadil Heydari, der in Wirklichkeit anders heisst, verliert in jener Nacht seinen fünfjährigen Sohn Yaqub, auch dessen Namen haben wir auf Heydaris Wunsch verfremdet. Seine Erlebnisse nach dem Unglück haben aus Heydari einen misstrauischen Menschen gemacht, der immer auf der Hut ist. Auch wenn er nach und nach Vertrauen zu uns fasst, kann es passieren, dass er bei Fragen plötzlich abblockt, argwöhnisch wird.

Im Jahr 2015, als das Bild des toten Flüchtlingsjungen Alan Kurdi am Strand um die Welt ging, nahm die Welt Anteil. Fünf Jahre später, als Aadil Heydari bei der Überfahrt nach Griechenland seinen Sohn verliert, gibt es keinen Aufschrei. Zwar gibt es auch von Aadil Heydaris Sohn ein Foto, darauf trägt das tote Kind eine schwarze Jacke, einen Pulli mit Robotermotiv, eine schwarze Hose und darüber die orangefarbene Rettungsweste mit einer grünen Pfeife am Reissverschluss. Aber dieses Foto, aufgenommen von der griechischen Küstenwache, geht in den Untersuchungsakten unter.

Vor Gericht wird es anderthalb Jahre nach der Unglücksnacht nicht um die Frage gehen, ob die griechische Küstenwache es zu verantworten hat, dass Yaqub ertrank. Sondern darum, ob Aadil Heydari, der Vater, für den Tod seines Sohnes verantwortlich ist. Heydari ist der erste Asylsuchende, der in Europa für den Tod seines Kindes angeklagt wurde – weil er es mit auf die Überfahrt nahm. Diese Anklage machte international Schlagzeilen. Wir haben Aadil Heydari lange gesucht, um zu erfahren, was aus ihm geworden ist.

Dieser Inhalt ist für Abonnent:innen des bref Magazins sichtbar.

Jetzt abonnieren

Haben Sie bereits ein Abo?