Ein Virus stösst Brasilien ins Unglück, nichts ist mehr wie vorher. Nur hoch über Rio de Janeiro breitet Christus nach wie vor gnädig seine Arme aus. Doch auch hier zu Füssen des Erlösers ist die neue Zeit mittlerweile unübersehbar. Wo sonst Touristen auf der Jagd nach dem perfekten Selfie den 710 Meter hohen Corcovado hinaufhecheln, als wäre es ihr persönlicher Passionsweg, arbeitet sich ein Trupp weisser Gestalten mit Gasmasken, Gummistiefeln und Chemikalien-Tornistern die Stufen hinauf in den Himmel über Rio de Janeiro. Es ist eines der Bilder dieser Coronapandemie: Die berühmte Christusstatue wird vor der Wiedereröffnung von vermeintlichen Viren gereinigt. Niemand weiss, ob die Viren wirklich dort oben sind. Das Team der Desinfizierer verleiht vielleicht ein Gefühl von Sicherheit in dieser Zeit des Nichtwissens.
Aber gerade dieses Nichtwissen schafft Raum für Glaube und Hoffnung – die Hoffnung etwa, der Mensch könne mit Hygiene und Wissenschaft aus der Natur einen aseptischen Raum machen, in dem nichts mehr lebt, was ihm gefährlich werden kann. Dass er selbst Natur ist, einen für Krankheiten aller Art anfälligen Körper hat, der lebt, atmet, Viren in die Welt schleudern und sterben kann, versucht er mit Masken, Schutzanzügen oder, wie der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, mit dem demonstrativen Glauben an die eigene Unverwüstlichkeit vergessen zu machen.
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